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6. August 1938

Wenn der Verfasser von Cosmosophia den Aufenthalt der Seele eines Sünders in den astralen Sphären tatsächlich mit solcher Überzeugung und Lebendigkeit berichtet, dann hält er alle Karten in der Hand. Die astrale Welt ist in erster Linie eine subjektive Welt. Wenn der Verfasser dieses Buches daher gewisse Bedingungen in der astralen Welt so lebendig beschreibt, dann hat er sie wahrscheinlich schon selbst erlebt oder fängt an, sie zu erleben. In allen Lehren wird darauf hingewiesen, daß unsere klarsten und wohlüberlegten Gedanken und unsere stärksten Gefühle unserem ganzen Aufenthalt und Zustand in den Sphären der überirdischen Welt die Richtung geben. In gleicher Weise hat der allerletzte Gedanke eine entscheidende Bedeutung für die Kraft, den Geist in die subtilen Sphären zu senden. In den Mahatmabriefen an A.P. Sinnett ist eine Stelle, wo der Lehrer K.H. auf die Bedeutung des letzten Gedankens vor dem Tode hinweist. Ein Beispiel eines hingerichteten Verbrechers wird angeführt, wie der Mörder sein Verbrechen und den ganzen Schrecken seiner Hinrichtung immer wieder erleben wird wie in einem Alptraum, bis die Energie erschöpft ist. Unser Zustand in der Subtilen Welt wird aus unseren subjektiven Stimmungen, Gedanken und Motiven gebildet, weil unsere Gefühle schärfer werden. Schläfrige und faule Menschen werden sich dort in einer noch ermüdenderen Existenz hinschleppen, die ihrer gewohnten physischen äußeren Reize beraubt ist. Daher ist es so wichtig, die Fähigkeiten in sich zu entwickeln, zu denken und die Gedanken auf schöpferische Arbeit zu richten, weil schöpferisches Denken in der subtilen Welt unbegrenzte Anwendung findet. Aber ich würde niemandem raten, über die Schrecken der niedrigen astralen Sphären nachzudenken.

Es fehlt wirklich an menschlicher Vorstellungsfähigkeit, um die ganze Mannigfaltigkeit der Existenz auf beiden Seiten zu beschreiben. Es besteht kein Zweifel, daß die niedrigsten Wesen der überirdischen Welt von den Ausdünstungen der Verwesung ernährt und besonders vom Magnetismus von zersetztem Blut angezogen werden. Daher gibt es alle möglichen Gespenster in der Nähe von Friedhöfen, Viehhöfen, auf Schlachtfeldern, in Wirtshäusern etc. Sie klammem sich tatsächlich an Betrunkene und an Schlemmer an, die Fleisch essen! Auf der irdischen Ebene tragen viele Menschen bereits solche Vampire an sich.

Wenn niedrige menschliche Wesen in den untersten Schichten der Subtilen Welt durch diese Gespenster leiden, dann leiden sie nicht weniger, wenn sie die höheren Bewohner der Subtilen Welt berühren. Die bloße Annäherung eines höheren Geistes fügt ihnen schmerzhafte Verbrennungen zu, und das astrale Gewebe ihres Körpers beginnt sich zu zersetzen.

In der Natur ernährt sich alles gegenseitig, und wenn die Überreste der Zersetzung die Gespenster der niederen Ebenen ernähren, dann ernähren die Ausstrahlungen der höheren Geister entsprechend der Analogie die höheren und mittleren Sphären. Allerdings kann man in Indien neben der unübertroffenen Höhe des philosophischen Denkens und geistiger Reinheit auch die abscheulichsten Demonstrationen verschiedener Dämonenkulte und tierähnlicher Besessenheiten begegnen, einschließlich der entsetzlichsten Geisterbeschwörung. Dort existiert eine Sekte, deren Anhänger sich von den Gehirnen von Leichen ernähren. Man kann ihnen in einer mondhellen Nacht auf Friedhöfen bei ihrem abscheulichen Tun begegnen. Wo das Licht am hellsten ist, dort ist die Dunkelheit am schwärzesten.

Hier gibt es Dörfer, deren Einwohner sich zu einer bestimmten Jahreszeit nachts in einer Waldlichtung treffen, die streng bewacht wird. Hier beschwören dann die Priester die niedrigen Wesen herauf, um die bösen Geister zu besänftigen. Zu diesem Zweck veranstalten sie ein unmäßiges Abschlachten von Tieren, und mit einem bestimmten Rhythmus von Trommeln versetzen sie die Anwesenden in einen außergewöhnlichen Zustand, in dem die niedrigen Wesen, die durch die Ausdünstungen von frisch vergossenem Blut angezogen werden, leichter von einigen Körpern Besitz ergreifen können. Solche Besessenen geraten in Raserei und greifen meist Frauen und Kinder an. Oft kauen diese besitzergreifenden Wesenheiten ihre Opfer zu Tode. Du hast recht, wenn Du die Beschreibungen von astralen Schrecken mit Widerwillen betrachtest. Jede Lehre des Lichts muß in erster Linie zur Weisheit lenken, zur Freude an der Arbeit, zur Vervollkommnung und zur höchsten Schönheit, während sie das unvermeidliche Leiden derer in der Subtilen Welt, die das Gesetz des Gleichgewichts oder der Harmonie verletzt haben, nur andeuten. Wenn man die Bedeutung der Gedankenkraft kennt, kann man nicht lange ohne ernste Folgen bei den Bildern von Schrecken und Dunkelheit verweilen.

Wir haben bereits von dem Angriff gehört, den Du erwähnst. Das alles zeigt Dir die dortige Bewußtseinsstufe. Die Zurücknahme des Artikels von M.L. ist verständlich. Die Menschen haben nicht gern, wenn der Nagel auf den Kopf getroffen wird. Mehrere Länder befassen sich augenblicklich mit dem Problem der Indoktrination. Glaubst Du nicht, daß diese Indoktrinierung des Menschen nicht weit entfernt von der Schaffung einer Art Kompromiß ist? Aber ich rate, das neue Land weniger anzugreifen. Es tritt in die Periode der neuen Wiedergeburt ein, und man sollte es in jeder Weise auf diesem Pfad schützen und unterstützen. „Wer an die Vergangenheit denkt, verliert seine Sehkraft.»

„Massen von Menschen haben sich auf drängendes Suchen umgestellt, und sie können den materiellen Fortschritt nicht mit den höheren geistigen Grundlagen in Einklang bringen. Die gegenwärtige Ära erinnert an eine gewisse Periode in Atlantis. Damals konnten sie kein Gleichgewicht finden. Obwohl man sich heute einer ähnlich mangelnden Übereinstimmung bewußt ist, können jedoch Nationen mit größerer Vitalität die notwendige Übereinstimmung finden. Wir sehen, wo der Beginn der Synthese realisiert werden kann. Er wird nicht dort sein, wo das Lebenspendel träge ist, sondern wo es aufs äußerste schwingt. Dort wird die Bedeutung des Allgemeinwohls verstanden, dort weiß man, daß Synthese nur mit dem Allgemeinwohl beginnen kann. Die Formel wird noch nicht ausgesprochen, sie reift jedoch schon in der Tiefe des Bewußtseins ... Vor allem Dienst enthüllt den Pfad der Verwirklichung des Allgemeinwohls. Nicht Prunk oder Riten, sondern Dienst für die Menschheit. Viele Jahrhunderte lang sind Worte über Zusammenarbeit geäußert worden. Häufig waren die Ideen den materiellen Möglichkeiten voraus, aber heute haben die Menschen sehr nützliche Anpassungen gefunden, und die Zeit ist gekommen, wo es nötig sein wird, sich an das Allgemeinwohl zu erinnern.» Blicke also dorthin, wo das Pendel aufs äußerste schwingt.

Jetzt will ich Deinen Brief vom 4. Juli beantworten. Bald werde ich wirklich ein Schweigegelübde ablegen müssen, weil ich sehe, daß meine Briefe nicht das übermitteln, was ich im Sinn habe. Eine andere Bedeutung, andere Schattierungen werden meinen Worten gegeben, und Du weißt, daß gerade der Ton die Musik macht. Aber scheinbar verstehen die Menschen diese Schattierungen der Ausdrücke nicht.

Ich rate Dir, Deine Korrespondenz so weit wie möglich zu beschränken. Nimm Dir Zeit für ein ernsthaftes Studium der Werke von H.P.B. und der Lehre der Lebendigen Ethik und mache Dich mit den neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen und Errungenschaften auf dem Gebiet der Medizin bekannt. Meide jede Art „Esoterik».

Nicht sie wird die neue Welt aufbauen, sondern die geistigen Arbeiter, die ihre Seele für das Allgemeinwohl hingeben. Die Neueinschätzung von Werten wird viele Dinge berühren. Es ist erstaunlich, wie viele Ausdrücke mit der Zeit ihren Sinn verlieren und gänzlich unannehmbar werden. Bereite Dich auf einen neuen Schritt vor, der weit und mächtig geplant wird.


13. August 1938

Ich stimme Dir zu, daß das, was bereits veröffentlicht worden ist, nicht mehr als etwas betrachtet werden kann, was der Geheimhaltung unterworfen ist. Und doch sollten Empfindungsfähigkeit oder ein rechtes Gleichmaß zuflüstern, wo und wann es passend ist, das eine oder das andere zu verwenden - Reden oder Schweigen. Viel hängt davon ab, wie man den einen oder anderen Begriff übermittelt, wie er klar gemacht werden und unter welchen Umständen man auf ihn hindeuten oder ihn vorbringen sollte. Manchmal wird die bloße Erwähnung der höheren Welten oder eines Geistes unpassend sein und nur Lästerung und schrecklichen Antagonismus hervorrufen. Darum kann ich der geäußerten Ansicht nicht beipflichten, daß übertriebene Vorsicht ebenso schädlich ist wie übermäßige Gesprächigkeit. Ich möchte sagen, wenn man übertriebene Vorsicht beurteilen muß, ist Geschwätzt bereits verurteilt. Es ist immer besser, etwas nicht zu vollenden als es zu ändern. Erinnere Dich, wie oft die Lehre über den Schaden spricht, wenn etwas nicht zur rechten Zeit gesagt wurde. „Sogar ein Arhat darf die Folgen von Gedanken und Worten nicht annullieren.» Wie oft hängt ein Menschenleben an einem solchen Wort!

So viel wird in begrenzten Bewußtseinen entstellt, und der sich daraus ergebende Schaden ist enorm. Nur das seltenste Individuum kann sich über die Ebene unserer Wirklichkeit (um ein besseres Wort zu gebrauchen - dieser Augenscheinlichkeit) emporheben und jene Gesetze verstehen, die Ereignisse und infolgedessen Menschen beherrschen. Großes Wissen wird leider nicht verziehen und ruft den Antagonismus der Menge und der Dutzendmenschen hervor. Darum verordneten Große Lehrer aller Zeiten, der Bewußtseinsstufe der Zuhörer und in rechter Angemessenheit zu den Umständen zu sprechen. Abweichung von diesem weisen Gebot endete gewöhnlich mit der Vernichtung vieler erleuchteter Unternehmen und dem Verlust von Menschenleben.

Wenn jemand in einer verzwickten Lage sagt: „Auf welche Weise wurden viel mehr Fehler seit der Zeit Christi gemacht - durch überflüssige Worte oder durch unnötiges Schweigen?» Dann werde ich antworten, daß in allem, was sich auf Christus und seine Lehre bezieht, nicht das, was unnötigerweise gesagt oder nicht gesagt wurde viel Schaden angerichtet hat, sondern die unwissende Verdrehung seiner einfachen Erklärungen und Bündnisse um der Habgier willen. Von großem Nutzen wäre die Aufgabe, das Neue Testament im Lichte einer Synthese aller vorhandenen geistigen Lehren klarzumachen. Gewiß, sehr geeignet sind die Übereinstimmungen zwischen den Lehren, die Du angeführt hast Nicht wenige davon sind tatsächlich auch im Buddhismus bekannt. Augenblicklich befaßt sich ein Pfarrer, Arthur Massey, mit dieser Aufgabe und schreibt in einem kleinen Lokalblatt „Vision» darüber.

Wahrlich, die Vertreter der sechsten Rasse werden nicht wenig geistig an sich arbeiten müssen, um die Nervenzentren zu öffnen. Aber im nächsten Verfeinerungsstadium des Organismus wird dieser Prozeß beträchtlich erleichtert und beschleunigt werden. Trotzdem kann man nichts ohne Disziplin, Bemühungen und Arbeit erreichen.

Überall, wo es möglich ist, sollte man die Worte Herr, Gott, Schöpfer, durch Göttliches Prinzip ersetzen, denn der vermenschlichte Begriff, der mit dem Wort Gott verbunden ist, ist zu stark im Bewußtsein der Masse eingewurzelt. Es ist wünschenswert, das Denken der Menschen ein wenig zur Vergegenwärtigung der Größe und Unbegrenztheit des Prinzips allen Seins und für das Verständnis ihrer Verantwortung als Träger dieses Prinzips zu fördern. In ihrer Heiligen Schrift lesen die Menschen vom Unaussprechlichen, Unbegreiflichen, Unsichtbaren Gott und sprechen darüber, doch gleichzeitig statten die diese Unbegreiflichkeit mit all den anthropomorphen Eigenschaften, Gefühlen und Handlungen aus!

Du schreibst, daß Du oft „Einwendungen gegen die Lehre des Ostens hörst, weil ihr die Lehre der Liebe fehle, wie sie im Evangelium zu finden ist». Dieser Vorwurf ist äußerst ungerecht, und diejenigen, die protestieren, enthüllen ihre Unwissenheit. Gerade die größte Verehrung der Liebe existiert im Osten. Alle ihre geistigen Lehren, ihre ganze Mythologie, ihr ganzer Epos, ihre ganze Poesie und die Volkskunde preisen dieses erhabene Gefühl, durch das alles erschaffen wird, alles lebt und sich bewegt. Nirgends wird Liebe tatsächlich so viel besungen in all ihren feinsten Nuancen und Qualitäten wie im Osten. Allen Yogas liegt Liebe oder Hingabe zum erwählten Ideal zugrunde. Die höchste Form des Yoga wird der Yoga der Liebe genannt. In diesem Yoga nimmt das Göttliche Prinzip den Aspekt des Geliebten an (sei es er oder sie), denn die mächtigste Form der Liebe wird in der Liebe für die beiden Urquellen ausgedrückt. Wahrlich, die ganze Poesie des Ostens ist eine einzige Liebeshymne für das Göttliche Prinzip in all seinen Aspekten, vom Unergründlichen und Unaussprechlichen bis zum Ebenbild eines persönlichen Gottes, eines Gurus, einer Mutter, eines Geliebten. Die Lehre der Lebendigen Ethik ist daher auch ein Aufruf zur Liebe, zum Dienst für das Allgemeinwohl, das die höchste Form der Liebe ist, weil sie frei von jeglichem Egoismus ist. Liebe für die Menschheit verlangt vollständige Selbstverleugnung und Selbstaufopferung. Denn wenn die Liebe für den Geliebten eine Antwort von dem Geliebtem bringt, wird die Liebe für die Menschheit mit einem Domenkranz gekrönt.

Um die Erlangung des Allgemeinwohls zu erleichtern, weisen alle Lehren des Ostens uns auf die Erweckung unserer Liebe für die Hierarchie des Lichtes hin, für den erwählten Guru, zum Streben nach dem Großen Dienst. Die Lehren des Ostens bestätigen, ebenso wie die Lehre der Lebendigen Ethik die Ausbildung des Herzens zur Assimilation der höchsten Form der Liebe. Liebe für die Menschheit ist eine aktive Errungenschaft der Liebe. Liebe für die Hierarchie ist die große Freude und das Entzünden des Geistes. Aber die eine Form der Liebe ohne die andere ist unvollkommen. Gesegnet ist darum derjenige, der für beide Raum in seinem Herzen hat.

Nun über die Erzeugung der Menschheit auf unserem Planeten. In erster Linie muß man verstehen, daß die lunare Evolution beträchtlich niedriger war als die irdische und daß die Bewohner des Mondes keinen Versland oder den sogenannten Intellekt besaßen. Beim Abschluß der lunaren Evolution übertraf ihr Verstand nicht den Tierinstinkt. Es gibt jedoch auch jetzt nicht gerade wenige Erdbewohner, deren Verstand nicht weit vom Tierinstinkt entfernt ist! Viele Menschen leben tatsächlich noch immer instinktmäßig. Daher mußten die lunaren Monaden aus diesem Grunde ihre neue Evolution auf Erden mit dem Pfanzen- und Tierreich beginnen, um sich den Bedingungen des neuen Planeten anzupassen. Die Barhishaden, die in der Geheimlehre erwähnt werden, gehören einer Evolution anderer, vielhöherer Welten an, die ebenfalls noch längst nicht vollkommen sind. Allerdings waren unter ihren Monaden verschiedene Entwicklungsgrade. Sie halfen bei der Ausstattung der lunaren Monaden mit menschlichen Hüllen. Im Zusammenhang hiermit lies Seite 86, „Zusätzliche Notizen», in den Mahatmabriefen. Die Barhishaden gründeten die erste menschliche Rasse auf unserer Erde. Aber sie konnten weiter nichts tun, als die astrale Hülle mit ihren Tierinstinkten erschaffen. Darum mußten die Verstandeskeime, um rascher erweckt zu werden, einen Impuls oder Funken erhalten, entweder von jenen Geistern, die bereits mit höherem Verständnis und einem voll ausgebildeten Mentalkörper begabt waren, oder von den Agnishvattas, Kumaras, Erzengeln und so weiter, wie sie in den verschiedenen Religionen genannt werden.

Die Mannigfaltigkeit der Spezies der Natur hängt gerade von den Geistern ab, die von anderen Welten und sogar von anderen Systemen angezogen werden. Denn während der Explosion dieser oder jener Welt, wird ihre astrale Hülle zuweilen zur Umlaufbahn eines Planeten angezogen, der zu einem anderen System gehört.

Die Dichter, deren Einbildungskraft schöne ätherische Bilder der Mondbewohner für sie malten, hätten beim Anblick einiger der wirklichen Bewohner des Mondes, die mit Haaren bedeckt waren und andere Eigentümlichkeiten besaßen, Ekel empfunden. Außerdem war ihre innere Struktur anders als die unsrige, ebenso wie ihr Sehvermögen, sie konnten nach vorn und hinten sehen. Wir müssen uns an den Gedanken an eine endlose Mannigfaltigkeit von Schöpfungen gewöhnen und an die Langwierigkeit der Evolution auf den ersten Stufen. Erst mit dem Beginn von Verstand tritt die Evolution in den beschleunigten Entwicklungsprozeß ein, und dieser Verstand kann, wenn er in Harmonie mit den Führenden Kräften ist, den Planeten zu einem großen Aufblühen emporheben oder umgekehrt, er wird seine Zersetzung und seinen Niedergang beschleunigen.

Man sollte sich also erstens immer an die ganze Vielgestaltigkeit der Evolution in der Unbegrenztheit erinnern, und zweitens an den Grundplan. Tatsächlich gehen die niederen Wesen durch die niedrigen Naturreiche des Planeten hindurch, um sich den Bedingungen anzupassen und die niederen Hüllen zu entwickeln. Wenn jedoch die Vollendung im höchsten Tiertyp erreicht worden ist und sich eine Möglichkeit für die sogenannte menschliche intelligente Evolution ergibt, opfern die Erbauer oder die Hierarchie der Geister höherer Evolutionen von anderen Welten ihre Essenz, um die Monaden mit einer menschlichen Hülle zu bekleiden, und sie selbst verkörpern sich sogar während verschiedener Zeitabschnitte in diesen Hüllen. Die menschliche Evolution geht auf drei Ebenen vor sich, auf der physischen, psychischen und der geistigen.

Ich glaube, daß die Geister der irdischen Menschheit, falls unser Planet seinen vorherbestimmten Zyklus glücklich vollendet, die Rolle der Barhishaden auf einem neuen Planeten erfüllen könnte, und die höchsten Monaden unter ihnen könnten sogar Erwecker des Feuers der Intelligenz werden; denn heißt es nicht in der Geheimlehre, daß viele Menschen in der siebten Rasse Söhne von unbefleckten Eltern und Buddhas sein werden? Wenn jedoch unser Planet nicht bestehen bleibt und vor dem Datum explodiert, dann könnte sich die Mehrheit unserer Menschheit bestimmt auf einem niedrigeren Planeten befinden und wird wieder durch seine niedrigen Naturreiche hindurchgehen müssen. Große Übereinstimmung und Zieltauglichkeit herrschen im Kosmos.

Es heißt, daß es auf den höheren Planeten weniger Tiere gibt und daß sie viel vollkommener sind. So gibt es auf der Venus keine Insekten und Raubtiere. Dort existiert wahrhaftig ein Reich der Flüge, die Menschen fliegen, die Vögel fliegen und sogar die Fische fliegen. Und die Vögel verstehen die menschliche Sprache. Die Farben der Fische und der Federn der Vögel erreichen erstaunliche Verbindungen und Schönheit.

Ich will hier ein nützliches Gespräch zitieren: „Ihr wißt, wie schwer es den Menschen wird, die Mannigfaltigkeit der Evolution anzunehmen. In erster Linie werden sie über das eine Gesetz reden. Jeder wird die Bruchstücke über das Universum zur Sprache bringen, die er zufällig gehört hat. Viele einander widersprechende Tatsachen werden auftauchen, und die Menschen werden nicht verabsäumen, jemand Ungenauigkeit vorzuwerfen. Streitigkeiten und Verwirrungen entstehen meistens infolge einer Unfähigkeit, die Unbegrenztheit zu verstehen. Es fällt seinem irdischen Verstand schwer, sich einen Plan vorzustellen, der unverletzt bleibt. Es ist ebenso schwer, sich alle Zweige genau desselben Gesetzes vorzustellen, trotzdem sollte man sich an die kosmische Mannigfaltigkeit gewöhnen. Unser Planet mit seinen subtilen Sphären kann die unerwartetsten Einflüsse von den fernen Welten erfahren. Man sollte nicht glauben, daß unser Sonnensystem etwas Isoliertes darstellt. Im Gegenteil, alle Welten stehen in der subtilsten gegenseitigen Beziehung. Das grundlegende Gesetz ist also unveränderlich, doch jeder Himmelskörper kann individuelle charakteristische Eigenschaften um sich herum hervorrufen.

Die Vertreter der entferntesten Evolutionen können auf Erden mit den Menschen der sechsten Rasse auskommen. Man kann auch beobachten, daß die Vorstellung von der Welt von einer primitiven bis zu einer erleuchteten Ausführung schwankt. Unvereinbare Extreme werden jedoch nicht nur inmitten der Naturerscheinungen bemerkt, sie sind noch erschreckender in der Subtilen Welt. Man kann sich bildlich vorstellen, wie sich die Reaktionen der entlegensten Systeme eindrängen können. Solche Reaktionen können mit Explosionen und Wirbelstürmen verglichen werden. Sie bringen eine Art Revolution ein, darum sollte man sich die Subtile Welt nicht als etwas vorstellen, was dem toten Buchstaben des Gesetzes unterworfen ist. Auch in den höheren Sphären können Konflikte zwischen psychischen Kräften vorkommen, man sollte sich an diese Vorstellungen gewöhnen.

Nur eine klare Vergegenwärtigung der großen Vielfalt kann vor einer schädlichen Begrenzung schützen. Zuerst sollte man zu spüren versuchen, daß man in der Unbegrenztheit lebt, und später kann man durch die Realisation der fernen Welten bestärkt werden. Auf diese Weise wird man zu dem Gedanken an die Mannigfaltigkeit der Evolution gelangen.»

Nun über Fegefeuer oder die mittleren Sphären der Subtilen Weh. Die unteren Schichten kommen den Beschreibungen der Hölle ganz nahe. Es hängt tatsächlich vom Menschen selbst ab, das beste aus seinem Aufenthalt in den mittleren Sphären für sich und für andere zu machen. Die höheren Sphären werden uns entsprechend dem Grad unserer Reinigung zugänglich, und vor unserer Versenkung in den Zustand des Devachan werfen wir die bereits erschöpfte astrale Hülle ab, je reiner sie ist, desto schneller zersetzt sie sich. Die astrale Hülle der höheren Geister wird, nachdem sie benutzt ist, mit Hilfe des Lehrers den welträumlichen Feuern übergeben. Nicht alle Geister versenken sich aber in das Devachan, es gibt starke Geister, die diese Unterbrechung nicht brauchen und eilen, ihren irdischen Pfad fortzusetzen. Wenn der Mensch in der Subtilen Welt danach streben würde, seine Irrtümer zu erkennen, dann würde die ganze Evolution beträchtlich beschleunigt. Aber die Schwierigkeit liegt darin, daß Durchschnittsmenschen - weder gute noch schlechte, aber ohne Streben und ohne klar zum Ausdruck kommende Fähigkeiten - wenn sie in die mittelmäßigen und grauen Sphären der Subtilen Welt eintreten, die für sie angemessen sind, gewöhnlich genau dieselbe mühselige und niedergedrückte Existenz weiter dahinschleppen. Ihr kleines Bewußtsein und ihr unentwickeltes Denken erlauben ihnen nicht, sich im Geist zu erheben und sich in die höheren Sphären emporzuschwingen, wo schöpferische Gedankentätigkeit herrscht. Lauheit, Gleichgültigkeit und Faulheit sind unsere schrecklichsten Henker. Sie verzehren die psychische Energie, die allein uns zum bewußten Besitzer des Kelches von Amrita - der Unsterblichkeit - macht.

Es ist unmöglich, Laster in der Subtilen Welt zu überwinden, sie müssen auf Erden besiegt werden. Denn nur auf Erden können wir neue Energieimpulse erhalten und diese in ihren höheren Offenbarungen erneuern oder umwandeln. Aber in der Subtilen Welt kann man mit Hilfe von Führern die Schädlichkeit von Leidenschaften erkennen, die noch nicht ausgelebt sind und kann die subtilen Zentren in einem solchen Grad mit dieser Erkenntnis beeindrucken, daß es in der neuen irdischen Wiedergeburt leichter sein wird, die Anziehung zu diesem oder jenem Laster zu überwinden. Wenn wir unsere Laster in der Subtilen Welt loswerden könnten, welchen Zweck hätten dann die irdischen Inkarnationen? Für die Umwandlung und Veredelung unserer Energien - Leidenschaften - brauchen wir also unser irdisches, physisches Laboratorium, in dem die Elemente aller Welten vereinigt sind und umgewandelt werden.

Den schönsten Aufenthalt in der Subtilen Welt genießen die Seelen der großen Arbeiter der Gedanken- und Schöpferkraft, die ihre Arbeit für das Wohl der Menschheit gaben. Don werden sie unbegrenzte Möglichkeiten finden, alle ihre Fähigkeiten und ihr ganzes Streben anzuwenden. Man kann das Leben von Marconi und Flammarion in den subtilen Sphären beneiden.

Machtvolle boshafte Seelen, und Seelen, die nur für ihre sinnlichen Genüsse gelebt haben, leiden sehr wegen ihrer Unfähigkeit, ihre Bosheit und ihre Leidenschaften zu befriedigen. Sie brennen geradezu in der Flamme ihrer Leidenschaften. Größtenteils werden sie tatsächlich besitzergreifende Wessen und nächtliche Einflüsterer. Sie können nicht in die höheren Sphären emporsteigen, denn die bloße Annäherung eines Bewohners dieser Sphären verursacht ihnen Leiden und ihr Gewebe beginnt sich zu zersetzen, wenn es mit den reineren Gasen in Berührung kommt. Die Folterqualen solcher Brandwunden des subtilen Körpers übertreffen körperliche Leiden. Die Schrecken der niederen Schichten der Subtilen Welt spotten jeder Beschreibung, und es ist besser, nicht dabei zu verweilen, um sie nicht zu vermehren und sich dadurch mit solchen Gedankenbildern zu belasten.

Ich mußte sehr über die praktische Weisheit in der Auslegung der Worte im Gebet „Und führe uns nicht in Versuchung...» lachen. Aber mir scheint, wir wurden nichts lernen, wenn der Herr stets so besorgt wäre, uns nicht in Versuchung zu führen. Unser Geist wird durch Prüfungen gestählt, und nur durch Versuchungen wird das innere Wesen des Menschen erkannt. Aus Worten bestehende Belehrungen und Warnungen sind nutzlos, der Mensch wird an seinen Taten erkannt. Sich Gott in der Rolle eines Versuchers vorzustellen, paßt natürlich nicht zu dem Göttlichen Prinzip, darum bleibt nichts weiter übrig als anzunehmen, daß in den Worten dieses Gebets die dringende Bitte eines schwachen Geistes an seinen Führer oder sein höheres Ich ausgedrückt wird, daß Er oder es ihn vor strafbaren Handlungen zurückhalten möge. Aber ich ziehe vor zu sagen: „Gesegnet sind die Hindernisse, durch sie wachsen wir.» Man sollte allerdings nicht daraus folgern, daß ein Fahrrad unbeaufsichtigt auf der Straße oder ein Geldschrank offen gelassen werden sollte. Alles ist gut an seinem Platz.

Vielen Dank für das Buch, es ist mir noch nicht gelungen, es ganz zu lesen. Vieles ist darin eigenartig. Aber ich glaube, daß es schon in einem anderen Land „aufgeputzt» worden ist, darum ist vieles darin enthalten, was unter den Bedingungen, unter denen der Disput stattfand, nicht geäußert hätte werden können, und dies schwächt das Interesse natürlich erheblich ab. Außerdem sind die Erklärungen der Mysterien und die Bestätigung der Auferstehung von Menschen im physischen Körper nicht sehr überzeugend und wenden nur das Denken zu den uralten Irrtümern zurück. Ungerechtfertigt sind auch die Angriffe auf gewisse sozialistische Schriftsteller und Denker. Der Autor attackiert Gorki vergeblich, dessen Worte er zitiert:

„Ich sehe ein großartiges Panorama der Erde wie einen riesigen Smaragd vor mir ausgebreitet, der durch die Arbeit der freien Menschheit äußerst fein geschliffen worden ist. Alle Menschen sind intelligent, und es ist für jeden natürlich, das Gefühl der persönlichen Verantwortung für alles, was von ihm und und ihn herum erschaffen worden ist, zu akzeptieren. Überall sind Städte, Gärten, imposante Bauten, überall arbeiten die Naturkräfte für den Menschen, beherrscht und organisiert von seinem Verstand, und schließlich wird er selbst tatsächlich zum Herrscher der Elemente. Seine physische Energie wird nicht mehr für grobe und schmutzige Arbeit verschwendet, sie wird in eine geistige Energie umgewandelt, und ihre ganze Kraft wird auf die Erforschung jener grundlegenden Existenzfragen gerichtet, für deren Lösung das menschliche Denken seit grauer Vorzeit erfolglos gekämpft hat.»

Nachdem ich diese schönen Zeilen gelesen habe, kann ich nur sagen, daß jeder intelligente Mensch, der nach Fortschritt, nach dem Allgemeinwohl strebt, zweifellos diese Hoffnungen des großen Schriftstellers teilt. Beachte, wie der Verteidiger von Gott und Geist Gorkis Behauptung ins Lächerliche zieht, daß die Naturkräfte vom Verstand des Menschen beherrscht und organisiert werden und die physische Energie selbst in eine geistige umgewandelt werden wird. Diesem Leser erscheint es absurd, daß man Energie zur Erforschung der Existenzfragen lenken kann! Er bedauert, daß „Gorki trotz allem Reichtum seiner Fantasie keine andere Arbeit für den Menschen erfinden konnte, als die Beschäftigung mit theologischer Forschung»?! Aber stellt die Erforschung der Probleme und Gesetze des Seins nicht den Gegenstand dar, der für die Wissenschaft von höchster Bedeutung ist? Enthüllt uns diese Forschung nicht immer wieder sichtbare und unsichtbare Gesetze und Geheimnisse der Natur, der fernen Welten und des ganzen Universums? Gorki für Armut an Vorstellungsvermögen zu verurteilen, ist unpassend. Das Bild, das Gorki malte, ist der Traum jedes denkenden Menschen, und viele verstehen, daß seine Verwirklichung erst in sehr femer Zukunft möglich ist. Denn gibt es augenblicklich viele intelligente Menschen, die ihre Verantwortung für alles verstehen, was von ihnen und um sie herum erschaffen wird? Und von denen, deren physische Energie in eine geistige umgewandelt worden ist, gibt es wahrscheinlich noch weniger. Was meinst Du?

Nur ein versteinertes Herz wird nicht nach dem Allgemeinwohl streben, sondern nur an die Errettung seiner eigenen Seele und ihre Auferstehung im physischen Körper denken! Man sollte nicht an seine eigene Errettung denken, sondern an die Darbringung des Lebenswerks für das Allgemeinwohl. Viele von denen, die an das Allgemeinwohl dachten und ihr Leben dafür aufopferten, standen Gott näher als die, die seinen Namen auf ihren Lippen trugen und nur an ihre eigene Errettung dachten. „Wer sein Leben liebt, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasset. wird's erhalten zum ewigen Leben.» (Johannes 12, 25)


10. September 1938

Ich muß von Tagore sagen, daß ich sein wunderbares Bild als Dichter sehr liebe. Aber als Reflektor der Gedanken der religiösen Hinduphilosophie steht mir Vivekananda näher. Tagore besitzt nicht jene dynamische Qualität, die so charakteristisch für Vivekananda ist. Tagore ist die Personifizierung von Güte, und selbst seine Stimme, ein hoher Tenor, stellt einen erstaunlichen Gegensatz zu seinem patriarchalischen Äußeren dar. Vielleicht kann man darin den Schlüssel zu einer gewissen Dualität finden, die ihm innewohnt.

Ich glaube, daß Tagore, weil er unter westlichem Einfluß ist, die Ansicht „Kunst um der Kunst willen» vertritt. Dem Ausspruch „Kunst um der Kunst willen» mangelt es nicht an Tiefe, denn letzten Endes führt alles zur Kunst. Schließlich ist Kunst ein Suchen nach Ausdruck und Vollkommenheit in allem. Darum grenzt jedes Streben, jede Handlung des Menschen, wenn sie in ihrem Ausdruck vervollkommnet wird, auf diese Weise schon an den Bereich der Kunst. Die Natur selbst ist in ihrer beständigen Schöpfung und ihren neuen Verbindungen ein Ausdruck der höchsten Kunst. Daher könnte dieser Ausspruch umgeschrieben werden in: Vervollkommnung um der Vervollkommnung willen.

Ende des letzten Jahrhunderts wurde von westlichen Künstlern ein zeitgemäßer Protest gegen die übertrieben dominierende Bedeutung des behandelten Gegenstandes in Bildern zu jener Zeit erhoben. Der Gegenstand des Bildes wurden an erster Stelle stehend betrachtet, und die rein künstlerischen Probleme wurden auf die zweite Stelle verbannt. Und so entstand im Westen das Schlagwort: „Kunst um der Kunst willen» und erwies sich als sehr nützlich. Aber wie gewöhnlich artete dieser nützliche Schritt ebenfalls im Laufe der Zeit unter den zweitrangigen Künstlern zu den absurdesten Formen aus, sogar zu den sogenannten „abstrakten» Bildern, in denen nichts mehr entziffert werden konnte.

Aber nun kommt ein neuer Schritt, der Schritt der Synthese, und es ist notwendig zu verstehen, wie rein künstlerische Probleme mit schöpferischen Gedanken und einer schönen Form verbunden werden können. Unser ästhetischer Genuß muß entsprechend erweitert werden, um Kunst in ihrer Ganzheit aufzunehmen. Alle Musen müssen zur Teilnahme an einem einzigen Kunstwerk herbeigerufen werden. Jeder Schöpfer muß die Grundlagen aller Künste in sich aufnehmen, damit er sein Werk durch sie erschaffen kann.

Wahrlich, Kunst sollte dazu dienen, das Bewußtsein der Menschheit emporzuheben. Aber die Ausdrucksmöglichkeiten zu begrenzen, ist unzulässig. Schon der Begriff Kunst weist alles Häßliche zurück und darum bleibt Schönheit ihr einziger Maßstab.

Nun zu dem vielseitigen Bild eines Dichters in seiner Vorstellung von der Gottheit. Ein Dichter, der sich einem höheren Wesen zuwendet, erhebt sich im Geist zu einem höheren Ebenbild offenbarter Schönheit. Und wo sollte man diese Schönheit suchen, wenn nicht in einem Symbol, das für uns das Höchste ist, im vollkommenen Bild von der Krone der Schöpfung!

Das Erhabene Wesen unterscheidet sich in einem östlichen Bewußtsein unendlich von dem Erhabenen Wesen in der Vorstellung des westlichen Bewußtseins. Das Höchste Wesen ist in der östlichen Vorstellung nicht von seiner Schöpfung abgesondert.

Seine Schöpfung ist Er Selbst. Das östliche Bewußtsein ist im Gegensatz zu dem des Westens im Grunde zur Synthese verbunden und daran gewöhnt, alles zu vereinigen und zu umfassen. Darum verehrt es die Große Urquelle in all ihren Aspekten, weil alle Aspekte und alle Pfade Ihr gehören.

In den Upanishaden heißt es: „Das Höchste Wesen durchdringt alles mit Sich Selbst, folglich ist es das angeborene Besitztum eines jeden.» Jeder Hindu nimmt diesen Begriff mit der Muttermilch in sich auf. Das östliche Bewußtsein, das daran gewöhnt ist, sich als Teilchen eines unbegrenzten Lebens zu betrachten, das sich in endlosen Trugbildern von veränderlichen Welten und Geschöpfen offenbart, absorbiert alle Formen solcher Offenbarungen mit Leichtigkeit. Es weiß, daß es selbst nur eine Widerspiegelung des Höchsten Wesens ist, das sich im beständigen Entfaltungsprozeß seiner unbegrenzten Essenz offenbart.

Die Rishis in Indien wußten in ihrer tiefen Weisheit von der Evolution oder der Entfaltung eines einzigen unbegrenzten Lebens und verstanden, daß das menschliche Bewußtsein nur durch vertraute Symbole zur Wahrheit aufsteigen kann. Neben dem höchsten Begriff vom Unaussprechlichen Mysterium des Seins gaben sie ihm darum eine majestätische Reihe der schönsten Bilder, um die ganze Stufenleiter der subtilsten Nuancen, Gefühle, Darstellungen und Gedanken im Bewußtsein hervorzurufen und ihm einzuprägen. Und daher entspricht die bildliche Darstellung des Höchsten Wissens stets voll und ganz dem Grad der Entwicklung, in dem sich der Mensch befindet.

Große Schönheit ist in der Realisation des unbegrenzten Lebens enthalten, in der unendlichen Evolution, in der Erkenntnis von Einheit in Vielgestaltigkeit der ganzen Existenz und folglich der grundlegenden Gleichheit der Menschheit. Aber nicht weniger Schönheit ist in der Erkenntnis der unbegrenzten Macht des menschlichen Verstandes und seiner Gedankenschöpferkraft enthalten. Das höchste Leben wird in der unermeßlichen Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen offenbart, und der Mensch - ihre Schöpfung - ist berufen, seinerseits in den Bildern und Ideen zu erschaffen, die ihm erreichbar sind. Ein Dichter, ein Musiker und ein Maler, die schöpferische Gedanken ausdrücken, müssen daher in den Tiefen ihres Seins jene Symbole finden, auf die ihr Herz am stärksten reagiert.

Die Kenntnis, wie man in seiner Schöpfung die ganze Skala subtiler Gefühle, Bilder und Gedanken widerspiegeln sollte, ist sehr umfassend. Darum sollten wir die Schöpfer nicht begrenzen, sie sollten ihr Lied in seiner ganzen Vielgestaltigkeit der Töne und der Visionen ertönen lassen, die ihnen offenbart worden sind.

Der Osten verkündet: „Zwei Arten von Menschen beten Gott nicht als einen Menschen an: Ein Tiermensch, der keine Religion hat, und eine befreite Seele, die sich über menschliche Schwächen emporschwingt und die Grenzen ihres eigenen Wesens überschreitet. Erst dann kann sie Gott anbeten wie er ist.»

Das Höchste Wesen, wie Tagore es sich vorstellt, umfaßt alles, was ihm als das am meisten Geliebte erscheint, die schönsten Bilder, die in seinem Dichterherzen leben. Jede. Berührung ruft das Feuer der Gedankenschöpferkraft hervor, und jede Saite seines Herzens wird auf ihre eigene Art und Weise auf die Tiefen des Bewußtseins, die berührt worden sind, widerhallen.

Nach dem Zitat aus dem Artikel „Die Religion eines Dichters» betont Tagore die Grenzenlosigkeit der Evolution und des Wissens. In Wirklichkeit existiert nur Wahrheit - die Wahrheit der Unbegrenztheit des Seins - und folglich des Wissens. In der offenbarten Welt wird diese Unbegrenztheit des Seins in einer ewigen Bewegung von Zyklen oder im Wechsel der Umstände ausgedrückt. Jede dieser Veränderungen oder, wie sie zuweilen genannt werden, Manvantaras (Manvantara des Universums, der Welt, des menschlichen Lebens), hat zum Ziel, eine neue Facette des Juwels des Unbegrenzten Wissens zu enthüllen und zu polieren.

Erwäge auch, wie vielseitig die schöpferische Tätigkeit der großen Hüter des Wissens ist. Wie viele Aspekte der Wahrheit müssen Sie gleichzeitig einführen und bestätigen, damit die Menschheit vorwärtsschreiten kann. Ein zu großes Licht blendet, ein zu kleines Licht verdunkelt, darum wird die Menschheit mit vorsichtigen Berührungen zu dem Wundersamen Palast emporgehoben, der unter dem Allumfassenden Dom für sie bestimmt ist. Aber es gibt Perioden, in denen das Bewußtsein sozusagen in eine Sackgasse gerät und sie nicht ohne spezielle Hilfe verfassen kann. Dann erfolgen Reinigungen, die sich in Revolutionen und im Beseitigen alter Dogmen und Werte offenbaren. Diese Perioden sind ernst, aber sie bringen eine heilsame Genesung und ein weiterer Aufstieg wird möglich. Die Großen Lehrer der Menschheit wirkten als Heiler für Geist und Körper, aber ihre Nachfolger verstanden ihre fürsorglichen Berührungen nicht, und statt des Strahles eines Arztes, schlugen sie einen Nagel in den Sarg.

Laßt uns also alle Ausdrücke der Wahrheit annehmen und sie nur. nach ihrer Schönheit bewerten.


10. September 1938

Alle großen Ideen wurden von außergewöhnlichen Individuen in die Welt gebracht. Und wenn die Dunklen sie entstellten, nachdem sie ins Leben gerufen waren, blieb ihre Grundwahrheit unbeschädigt. Tatsächlich helfen die Dunklen auf ihre eigene Art und Weise, erleuchtete Ideen in der Welt zu bestätigen. Die Dunklen beschleunigen jeden Prozeß der Verderbnis und darin liegt ihre besondere Nützlichkeit. Ohne ihre Teilnahme wäre es viel schwerer, die Ideen des Lichts zu bestätigen, wenn man die Bewußtseinsstufe der heutigen Menschheit und die unerhörte Masse von Lauwannen oder Widerstandslosen in Betracht zieht, die zu jedem Kompromiß bereit sind, damit ihre gewöhnliche Lebensweise nicht gestört wird. So wurden die Leiden der Unterdrückten jahrtausendelang hingezogen und die Schwelgerei der herrschenden Klassen brachte viele Länder zu endgültigem Zerfall und Degeneration. Gerade wegen der niedrigen Bewußtseinsstufe der Menschheit als Ganzes und auch wegen der häufig unklugen Führung muß man Revolutionen als einen Aufstand der gesunden Zellen zur Verteidigung des ganzen Organismus betrachten. Denke daran, wie die russische Revolution von vielen Ländern begrüßt wurde. In welchem Grade dieser laute Beifall uneigennützig und aufrichtig war, ist eine andere Sache. Nach menschlicher Art dachte jeder an seinen eigenen vorläufigen Vorteil. Aber auf jeden Fall wurde genug über den früheren rrussischen Despotismus, über die Barbarei, die schreckliche Armut und Rückständigkeit unseres Volkes geschrieben, und dies geschieht auch heute noch. Bedauerlicherweise ist die letztere Behauptung nicht unbegründet. Darum sollten wir die Veränderung, die im Bewußtsein der Masse stattgefunden hat, begrüßen, weil auf Kosten schrecklichen Leidens ein neuer Schritt erreicht worden ist, der der ganzen Menschheit helfen wird.

Aus der Beilage, die Du gesandt hast, könnte ein Leser zu der Schlußfolgerung kommen, daß jemand gegen die großen Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist - Ideen, die allein die Menschheit am Leben erhalten! Aber wenn diese Leitideen abgetan würden, weil sie sozusagen utopisch scheinen, dann wäre es für die Menschheit besser, sobald wie möglich aufzuhören zu existieren.

Wenn diese Ideen nicht im Herzen getragen werden, wird die Menschheit zu unglaublichen Verbrechen und zu Verderbtheit herabsinken und langsam zerfallen und durch die von ihr selbst geschaffenen Katastrophen umkommen.

Wenn diese Ideen utopisch sind, dann sind alle Lehren des Lebens in gleichem Maße utopisch.

Die französischen Revolutionäre suchten soziale Freiheit und Gleichheit zu erreichen oder die Durchsetzung der Prinzipien oder Formen der Freiheit, die in die Grundlage jedes gesunden Staates gelegt werden müssen, nämlich Gewissens- und Gedankenfreiheit, Freiheit der Berufswahl und die Gleichheit aller Bürger oder die Abschaffung der Klassen (bevorzugte gesellschaftliche Stellung). Wahrhaftig, nur unerleuchtete Menschen verstehen Freiheit als Widersetzlichkeit und Gleichheit als Nivellieren von Fähigkeiten. Trotzdem muß eine grundlegende soziale Gleichheit verwirklicht werden. Jeder Bürger eines Landes ist gleich vor seinen Gesetzen, und nur seine Fähigkeiten entscheiden über seine Stellung in der sozialen Struktur und in der Arbeit.

Ich stimme den Schlußfolgerungen von Professor. Frank zu, die Du anführst. Es ist auch durchaus wahr. daß „Gleichheit im absoluten Sinn nicht verwirklicht werden kann und daß das hierarchische Prinzip ein naturliches Attribut der Gesellschaft ist». Die Hierarchie ist ein kosmisches Gesetz, und genau dieselbe kosmische Grundlage bestätigt die Gleichheit jeder Monade, soweit es die Entwicklung ihrer Individualität betrifft. Darum sollten staatliche Gesetze, um den lebenswichtigen Interessen zu dienen, kosmische Gesetze widerspiegeln. Jeder in diesem oder jenem Land geborene Bürger wird auf Grund seines Geburtsrechts potentiell für alle Rechte qualifiziert, wie es zum Beispiel in den Vereinigten Staaten heißt: «Jeder Bürger von Amerika kann Präsident werden.» Dieses Recht muß wirklich geschützt werden. Aber wie Du weißt, sind die Bürger vieler Länder gerade dieser Art Gleichheit beraubt Alle haben also ein gleiches Geburtsrecht, aber nicht alle sind gleich in bezug auf ihre Fähigkeiten. Und diese Ungleichheit ist nicht nur zieltauglich, sondern auch gerecht, denn Fähigkeiten werden während unzähliger Jahrtausende durch persönliche Anstrengung und persönliche Bemühungen erlangt. Und die Ungleichheit hört auf Ungleichheit zu sein und kommt unter das führende Gesetz der Hierarchie. Das qualende Problem der Gleichheit und Ungleichheit von Menschen könnte gelöst werden, wenn das Gesetz der Wiedergeburt dem Bewußtsein der Massen zugänglich gemacht würde. Eine herausragende öffentliche Persönlichkeit, Michael Roberts, glaube ich, sagte einmal: „Wenn die Mitglieder des Kabinetts davon überzeugt wären, daß sie nach dem Tode in Familien wiedergeboren würden, die im ärmsten Distrikt von London leben, würden Sozialreformen mit erstaunlicher Geschwindigkeit eingeführt.» Man könnte noch hinzufügen, daß viele andere Dinge ebenfalls geändert worden wären.

Ich stimme nicht zu, „daß in unserer Zeit nur ein Mensch, der ins Gefängnis geworfen wird, von Freiheit träumen kann». Allerdings beraubt ein Gefängnis einen Menschen der Bewegungs- und Handlungsfreiheit, aber wie viele andere geschickt verborgene Formen der Sklaverei existieren noch in allen Staatssystemen! Es ist irrig zu glauben, daß es heutzutage keine gesetzliche soziale sklavische Abhängigkeit gibt. Sie mag sogar noch stärker sein als je zuvor. Und die traurigste dieser Arten von Sklaverei ist bestimmt die Versklavung des Denkens und die sklavische Abhängigkeit der Frau. Es ist unglaublich, wenn man sich vorstellt, daß in diesem unserem Zeitalter, wo sogar die zurückgebliebensten Bewußtseine das Gesetz der Evolution angenommen haben, noch tote Dogmen existieren können oder die untergeordnete Stellung der Frau, der Mutter der Menschheit, geduldet wird! Wahrhaftig, diese untergeordnete Stellung der Frau ist ein äußerst schmachvoller Wahnsinn und Ursache für die Degeneration der Menschheit. Bald wird auch diese Wahrheit offensichtlich werden. Aber gegenwärtig kann man leider sogar von den anerkannt „herausragenden» Denkern die Ansicht hören, daß den Frauen nicht die gleiche Erziehung gegeben werden sollte wie den Männern, und auch, daß Frauen nicht nach den Berufen und Stellungen streben sollten, die von Männern eingenommen werden. Der letztere Umstand ist natürlich der wichtigste. Welch ein abgrundtiefer Egoismus tönt aus dieser Behauptung heraus!

Trotzdem werden wir fragen, welche Stellungen und Berufe eigentlich als ausschließlich den Frauen vorbehalten betrachtet werden sollten. Wenn wir alle die aufzählen, die beiden Geschlechtem zugänglich sind. werden keine für die Frauen übrigbleiben. Wäre es möglich, daß die ganze Bedeutung der Frau nur auf Gebären, Stillen und das Vergnügen des Mannes hinausläuft? Aber was für eine geringe Meinung hat dann der Mann von sich selbst, wenn ereine Frau zur „Unterhaltung» sucht, die der höheren mentalen Entfaltung beraubt ist. Es ist bemerkenswert, daß die „Weisen», die die Frau der höheren Bildung berauben, gleichzeitig heuchlerisch erklären, daß „die Bestimmung der Frau viel höher ist». Was jedoch „viel höher» ist erklären sie nicht. Besteht es darin, erfolglose Exemplare eines rein männlichen Verstandes hervorzubringen, um die eigene Versklavung zu vergrößern und auf diese Weise zur Entartung der Menschheit beizutragen? Aber psychische Energie kann nicht vergewaltigt werden, wenn sie Offenbarung fordert. Woher kommt diese schreckliche Verbreitung von psychischen Krankheiten und die beständig zunehmende Zahl geistig Behinderter, die jetzt besonders in Amerika beobachtet wird? Nach den medizinischen Statistiken ist einer unter zwanzig ein Kandidat für die Irrenanstalt in der einen oder anderen Periode seines Lebens. Die Zahl der Schwachsinnigen ist ebenso entsetzlich. Alexis Carrel macht diese Angaben in seinem Buch Der Mensch, das unbekannte Wesen. Sein Buch ist interessant und gibt ein wahres Bild des Zerfalls unserer materialistischen Zivilisation. Gestützt auf wissenschaftliche Daten weist Carrel auf die Wege zur Wiederherstellung der Gesundheit der Menschheit hin. Da aber selbst ein weiser Mensch strauchelt, kann man in diesem nützlichen Werk auch gewisse Eigentümlichkeiten finden. Tatsächlich drückt Carrel in diesem Buch die oben erwähnte Ansicht über die Erziehung der Frauen aus. Wahrend er an der Idee der Evolution festhält, beschneidet er gleichzeitig die Ausbildung und läßt nur eine begrenzte Schulung der Frauen zu und beraubt sie eines Platzes im Aufhau des Lebens! Aber man kann nicht gegen die Evolution angehen, und wir wissen bereits, wie hoch der Preis für jeden derartigen Widerstand für die Menschheit ist. Beispiele dafür werden in allen Revolutionen offensichtlich.

In den Büchern der Lehre des Neuen Lebens heißt es: „Zu der Zeit, wo Wir über gleiche und unumschränkte Rechte sprechen, schließen die Diener der Dunkelheit die Frauen von vielen Gebieten aus, gerade dort, wo sie am nützlichsten sein könnten. ... Gerade jetzt sollte man an volle Rechte denken, aber die Dunkelheit überschwemmt die Gebiete, die am meisten unter Druck stehen. ...»

Warum sollte man glauben, daß die Anwendung von höheren Prinzipien nur in einer Gemeinschaft möglich ist? Dienst für das Allgemeinwohl muß und sollte unter allen Umständen geleistet werden. Aber durch bewußte Zusammenarbeit nimmt solcher Dienst tatsächlich in nicht kalkulierbarer Weiterentwicklung zu.

Man sollte die Leser nicht durch den Wunsch in Furcht versetzen, indem man jedem zur Rückkehr zu einer primitiven patriarchalischen Gemeinschaft rät. Die Menschen stellen sich diese primitive patriarchalische Gemeinschaft gewöhnlich ganz anders vor. Wir sollten nicht vergessen, daß das Neue Zeitalter auch neue Definitionen verlangt. Und nichts ist dem heutigen Denken femer als ein patriarchalischer Staat, und noch dazu ein primitiver!

Nirgends besteht die Lehre der Lebendigen Ethik oder des Neuen Lebens darauf, daß die Menschen eng zusammenleben sollen. Im Gegenteil, sie warnt sogar vor physischem Gedränge. Sie wiederholt beständig, daß Zusammenarbeit im täglichen Leben offenbart werden muß, unter allen Umständen, in die das Leben uns bringt. Physisches Gedrängel und alle möglichen Kleinlichkeiten im Leben scharfen eine niederdrückende Atmosphäre, in der statt Einigkeit böswillige Uneinigkeit unterstützt wird. Jederzeit, überall und in allem ist eine bewußte, freundschaftliche Zusammenarbeit notwendig. Aber alle künstlichen Vereinigungen haben nie etwas Gutes gebracht, noch werden sie es je tun. In der Familie haben wir bereits ein Beispiel vom Gemeinschaftsleben. Warum sollten wir an eine Art primitive patriarchalische Gemeinschaft denken und nicht in erster Linie unseren Verantwortungen in unserer eigenen Familie nachkommen? Warum sollten wir bei den Problemlösungen des Gemeinschaftslebens nicht in erster Linie dem Familienleben Aufmerksamkeit schenken? Wenn die Menschen die Bedeutung des Gemeinschaftsprinzips erkennen würden, dann würden sie mehr gesunden Menschenverstand zeigen, wenn sie eine Ehe schließen. Sie würden die Verantwortung verstehen, die sie auf sich nehmen, wenn sie oft ganz unvereinbare Elemente zusammenfügen.

Man kann erfolgreich zusammenarbeiten, auch wenn man in verschiedenen Städten und sogar in verschiedenen Ländern lebt. Mit jeder neuen wissenschaftlichen Entdeckung und Erfindung spielen Entfernungen eine immer geringere Rolle. Die einzig wahre Einigkeit, Einigkeit im Geist und Bewußtsein, setzt sich stärker und mächtiger durch. Bruderschalt kann nur in der Einigkeit von Bewußtseinen zur Wirklichkeit werden. Der Lehrer arbeitet für diese Einheit des Bewußtseins mit den engsten Jüngern, aber physische Einigkeit wird nicht in Betracht gezogen. Und selbst stark harmonische Bewußtseine, die in verhältnismäßig enger körperlicher Nähe leben, müssen sich gelegentlich zur Erneuerung ihrer Kräfte und für neue Ansammlungen trennen. Daher die Vorschrift des Herrn Buddha über die Notwendigkeit von Reisen für die Mitglieder der Gemeinschaft.

Folglich sollte man Gemeinschaft nicht in einem engen Sinn verstehen, sondern in einem sehr weilen - genauer, als Zusammenarbeit mit der ganzen Menschheit, mit allen Welten, mit allem, was existiert. Die Menschen leiden sehr an einem Mangel an Freundlichkeit zueinander, sie deshalb in eine geschlossene Gemeinschaft einzusperren, wird nur ihre Entfremdung von der Weltgemeinschaft vergrößern, die die ganze Menschheit und alle Ebenen des Seins umfaßt.

Wahrlich, die Epoche allgemeiner Zusammenarbeit ist im Entstehen.

Ich halte es auch nicht für richtig, daß nur die positive Rolle der Klöster interpretiert wird. Die Tatsache, daß manche mehrere Jahrhunderte lang bestanden haben, beweist nichts. Die Länder machten viele Umwälzungen durch, Herrscher wurden durch andere ersetzt, auch Kirchenfürsten und die Äbte von Klöstern, doch die Länder, Paläste und Klostermauern standen weiterhin unerschütterlich fest. Aber wir wissen aus der Geschichte, daß die verehrtesten und hervorragendsten Heiligen die Klöster verließen und neue religiöse Orden gründeten, oftmals mit wandernden Mönchen und Nonnen. Die wahren geistigen Arbeiter, die nach einer Wende zum Besseren, zur Evolution strebten, konnten nicht innerhalb toter Mauern bleiben, die oft mehr an ein Gefängnis des Geistes erinnerten als an einen Herd des Lichts. Mit Ausnahme von ein paar, übten die Klöster, als sie gegründet wurden, jenen wohltuenden Einfluß auf die Bevölkerung aus, den sie ausüben sollten. Aber schon in den Büchern der Dobrotolubye und sogar noch früher kann man Beschreibungen von entsetzlichem moralischem Niedergang finden, die sich in den klösterlichen Gemeinschaften entwickelten. Nicht wenige ähnliche Hinweise sind auch in der buddhistischen Literatur zu finden. Die menschliche Natur ist überall gleich.

Ich will hier ein zeitgemäßes und nützliches Gespräch anführen: „Ihr wißt, daß es Zeiten geben kann, die schlimmer als Krieg sind. Ihr wißt, daß Wir Krieg als eine Schande der Menschheit ansehen. Wie sollen wir dann die Zeit nennen, die schlimmer als Krieg ist? Vielleicht könnte man sie die Verwesung der Menschheit nennen. Armageddon ist voll unermeßlicher Gefahren. Epidemien werden das geringste des entsetzlichen Unheils sein. Die hauptsächlichen destruktiven Folgen werden von psychischer Verirrung ausgehen. Die Menschen werden das Vertrauen verlieren, sie werden ihren Verstand in gegenseitiger Ungerechtigkeit schärfen, sie werden lernen, alles zu hassen, was jenseits ihrer eigenen Wohnung existiert und in einen Zustand der Verantwortungslosigkeit verfallen und in Lasterhaftigkeit versinken. Zu diesen Tollheiten wird noch eine hinzukommen, die schändlichste, das Wiederaufleben des Kampfes zwischen den männlichen und weiblichen Prinzipien.

Zu der Zeit wo Wir über gleiche und unumschränkte Rechte sprechen, schließen die Diener der Dunkelheit Frauen von vielen Arbeitsgebieten aus, gerade die, wo sie am nützlichsten sein könnten. Wir sprachen über neue Spaltungen in der Welt, aber der erneute Kampf zwischen den Prinzipien wird der tödlichste sein. Es ist unmöglich, sich die Zerstörung vorzustellen, die ein solcher Kampf bringen kann! Es wird Widerstand gegen die Evolution sein! Und Ihr kennt den Preis, den die Menschheit für jeden solchen Widerstand zahlen muß. In diesen Erschütterungen wird die junge Generation verdorben.

Plato sprach über die Schönheit des Denkens, aber was für eine Schönheit des Denkens ist während der Feindschaft zwischen den Prinzipien möglich? Gerade jetzt sollte man an unumschränkte Rechte denken, aber die Dunkelheit überschwemmt die Gebiete, die am gespanntesten sind. Laßt uns sagen, daß alle Angriffe der Dunklen zum Guten gewendet werden. Diejenigen, die im Kali-Yuga gedemütigt wurden, werden im Satya-Yuga emporgehoben werden. Aber wir sollten nicht vergessen, daß diese Jahre des Armageddon außerordentlich gespannt sein werden. Sogar die Gesundheit muß besonders gehütet werden. Die kosmischen Ströme mögen zu vielen Krankheiten beitragen. Man sollte in Betracht ziehen, daß dies eine unwiederholbare Zeit ist! Einige Menschen glauben, daß allein das bloße Vermeiden von Krieg alle Probleme lösen wird. Diese Kurzsichtigen! Sie sehen nicht, daß der schlimmste Krieg innerhalb ihres eigenen Hauses stattfindet. Sie glauben, daß sie der Evolution entwischen können! Und doch, es existieren grüne, offene Räume, wo die Evolution wächst, und diesen gilt unsere Fürsorge.

Der Denker ordnet an, daß die Gaben aller Musen geschützt werden sollen. Nur diese Ansammlungen werden dazu beitragen die Dunkelheit zu besiegen».

Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum so vieles mit Stillschweigen übergangen wird und warum Widerstand gegen das Banner zum Schutz der Schätze der Musen gezeigt wird.

Für viele beginnt jetzt die Zeit der Entscheidung. Viele werden ihren wahren Geleitbrief vorzeigen müssen. Die Menschen können noch nicht erkennen, daß die Hauptschwierigkeit, vor der sie stehen, der schlimmste Mangel an rechter Entsprechung ist den sie beständig zulassen. Mangel an rechtem Gleichmaß verursacht alle Zerstörung. Es ist notwendig, von früher Kindheit an die Fähigkeit tief einzuwurzeln, das Wichtigste und Wesentlichste zu erkennen, folglich alles was wahrhaftig groß ist, vom Zweitrangigen und Nichtssagenden zu unterscheiden.

Man sollte das Gesetz des rechten Gleichmaßes in Paragraph 208 in Erleuchtung häufiger durchlesen. „Aus einem Mangel an rechter Entsprechung entstehen Zerstörung, Lästerung, Lüge, Verrat und viele andere häßliche Erscheinungen.» Die Feste der Bruderschaft ist RECHTE ENTSPRECHUNG.

Werde nicht müde, auf der Anwendung von rechtem Gleichmaß in allen Lebenserscheinungen zu bestehen. Zuerst sollte man versuchen die Gewohnheit abzulegen, andere zu demütigen. Denn mit unserer irdischen Vision können wir wirklich nicht die ganze Bedeutung und Tiefe von allem verstehen, was sich ereignet, und auch nicht das wahre innere Wesen des Menschen. Entwickle rechtes Gleichmaß - die Basis der Zusammenarbeit.

1939

Du schreibst, jemand ist über die Tatsache entrüstet, daß in der Lehre der Lebendigen Ethik Erlaubnis gegeben wird, geräuchertes oder getrocknetes Fleisch zu essen, während alle anderen

Lehren Fleisch überhaupt nicht erlauben. Wir müssen antworten, daß dieser Fragesteller anscheinend den Geist der von ihm erwähnten Lehren nicht genügend erfaßt und sich auch nicht völlig mit allen Büchern der Lebendigen Ethik bekannt gemacht hat. Er übersah jene Gespräche, die das Problem der Ernährung betreffen oder las sie nicht zu Ende. Aber ehe ich irgendeine Erklärung über den Grund gebe, warum der Gebrauch von geräuchertem oder getrocknetem Fleisch erlaubt ist, möchte ich ihn fragen, ob er die ethischen Regeln in all seinen Handlungen mit demselben Eifer befolgt, wie in der Frage der Beschränkung bei der Nahrung. Und dann möchte ich ihn daran erinnern, daß Christus sagte: „Höret mir alle zu und fasset es: Es ist nichts außerhalb des Menschen, das ihn könnte gemein machen, so es in ihn geht; sondern was von ihm ausgeht, das ist's, was den Menschen gemein macht ...» (Markus 7, 15) Auch in buddhistischen Texten wird gesagt: „Wenn man nur durch Verzicht auf das Essen von Fleisch Vollkommenheit erlangen könnte, dann würde ein Pferd oder eine Kuh sie längst erreicht haben.» Askese hat keinen Wert als Mittel zur Befreiung des Verstandes von irdischen Bindungen: „Es ist viel schwerer, einen geduldigen Menschen zu finden, als einen, der sich von Luft und Wurzeln ernährt ...» Ja, es fällt dem Menschen sehr schwer zu verstehen, daß die Hauptreinigung in der Reinigung der Gedanken und Motive besteht und in Bewußtseinserweiterung, denn Karma wird in erster Linie durch Gedanken hervorgerufen. Wenn ein Mensch erhaben im Geist ist, wenn die feurige Umwandlung der Zentren stattgefunden hat, dann kann er die schädlichsten Substanzen über sein inneres Feuer harmlos machen. Seine mächtige freigesetzte psychische Energie reinigt alles und wandelt alles um. Man sollte viele von denen, die an einer streng vegetarischen Ernährung festhalten und keine Gelegenheit zur Verleumdung verpassen, an die vorhergehenden Erklärungen der größten Lehrer der Menschheit erinnern.

Wir sollten diesen Fragenden auch daran erinnern, daß es in Tibet und in der Mongolei Gegenden gibt, wo es nahezu unmöglich ist, Gemüse zu bekommen, weil es dort entweder nicht wächst oder nicht reifen kann. Die buddhistischen Mönche sind gezwungen, ausschließlich von Gerste und Hammel- oder Yakfleisch zu leben, trotzdem sind sehr ehrenwerte Seelen unter ihnen.

Und nun will ich Dich an ein paar Paragraphen erinnern, die einige Fragesteller anscheinend noch nicht zu Ende gelesen haben. In Aum, am Ende von Paragraph 277, heißt es: „Auch wenn ich auf Pflanzenkost hinweise, hüte Ich mich davor, den Subtilen Körper mit Blut zu nähren. Die Essenz des Blutes durchdringt den Körper und sogar den subtilen Körper völlig. Blut ist so wenig wünschenswert in der Nahrung, daß Wir nur in äußersten Notlagen die Verwendung von Fleisch, das in der Sonne getrocknet worden ist, gestatten. Es ist auch möglich, die Teile des Tieres zu verwenden, in denen die Substanz des Blutes gründlich umgewandelt worden ist. Pflanzennahrung ist also auch für das Leben in der subtilen Welt von Bedeutung.»

Außerdem schrieb mir ein scheinbarer Anhänger der Lehre des Lebens, es sei bedauerlich, daß nirgends in den Büchern der Lehre auf Enthaltsamkeit von Alkohol hingewiesen wird! Und doch heißt es in Erleuchtung, daß „der Gebrauch von Wein ... (und) Betäubungsmitteln Dreiviertel der Lebenskraft verzehrt», und in Gemeinschaft wird erklärt, daß «Betäubungsmittel der Feind der Psycho-Technik sind» - ein Feind der psychischen Energie, die die Grundlage unserer Existenz ist. Es scheint, daß dies kaum stärker ausgedrückt werden konnte, aber Menschen, die sich nicht die Mühe machen, die Lehre ganz kennenzulernen, fangen an zu lügen oder zu verleumden. Sie verstehen nicht einmal, daß es, wenn der Lehrer von Selbstdisziplin spricht, über mentale und physische Reinigung, natürlich die Enthaltsamkeit von allen möglichen Essenzen bedeutet, welcher Art sie auch sein mögen, und von Substanzen und Gewohnheiten, die für den Organismus schädlich sind.

Bruderschaft, 21: «Jede Nahrung, die Blut enthält, ist schädlich für die Entwicklung von subtiler Energie. Wenn die Menschheit sich nur des Verzehrs von toten Körpern enthalten würde, dann könnte die Evolution beschleunigt werden. Liebhaber von Fleisch haben versucht, das Blut zu beseitigen, aber es ist ihnen nicht gelungen, die erwünschten Resultate zu erzielen. Fleisch kann, selbst wenn das Blut entfernt worden ist; nicht gänzlich von den Ausdünstungen dieser machtigen Substanz befreit werden. Die Sonnenstrahlen beseitigen diese Ausdünstungen bis zu einem gewissen Grade, aber auch ihre Zerstreuung in den Weltraum verursacht nicht geringen Schaden. Versucht, ein Experiment mit psychischer Energie in der Nähe eines Schlachthauses durchzuführen und Ihr werdet Zeichen von akuter Verrücktheit erhalten, ganz abgesehen von den Wesen, die sich an das offene Blut anklammem. Nicht grundlos ist Blut heilig genannt worden.

Man kann also verschiedene Arten von Menschen beobachten. Es ist möglich, sich insbesondere davon zu überzeugen, wie stark Atavismus ist. Das Verlangen nach Nahrung, die Blut enthält, wird durch Atavismus verstärkt, weil die vielen vorhergehenden Generationen mit Blut durchtränkt waren. Unglücklicherweise schenken Regierungen der Verbesserung der Gesundheit Bevölkerung keine Aufmerksamkeit. Staatsheilkunde und Hygiene stehen auf einer niedrigen Stufe. ... Daher sollte es auf dem Pfad zur Bruderschaft keine Schlachthäuser geben.»

Bruderschaft, 22: „Doch es gibt Menschen, die viel gegen Blutvergießen reden, aber selbst nicht abgeneigt sind, Fleisch zu essen. Viele Widersprüche sind im Menschen vorhanden. Nur das Vervollkommnen der psychischen Energie kann die Harmonisierung des Lebens fördern. Widerspruch ist nichts als Verwirrung. Verschiedene Schichten haben entsprechende Inhalte. Aber ein Sturm kann die Wellen erregen, und die richtige Strömung wird hinterher nicht so schnell wiederhergestellt».

Auch in Supermundane ist ein Gespräch über diesen Gegenstand. „Nicht wenige schreckliche Folgen entstehen durch den Widerstand gegen Unsere Hinweise. Einige bekämpfen äußerst nützliche Ratschläge, andere erfüllen sie äußerlich, aber innerlich widersetzen sie sich. Man sollte diesem letzteren Umstand besondere Aufmerksamkeit schenken.

Wenn die Menschen verstehen könnten, von wie geringem Wert ihr äußerliches, vorgetäuschtes Lächeln ist! ... Der nützlichste Ratschlag verliert seine Bedeutung, wenn er innerlich zurückgewiesen wird, dann bleibt nur die äußere Hülle. Man sollte auch daran denken, wie viele nützliche Ratschläge entstellt worden sind. Als Beispiel wollen wir das Problem der Ernährung nehmen. Wir sind entschieden gegen Fleischnahrung. Sie hat die Evolution genug gehindert. Doch eine Hungersnot mag kommen, und dann darf getrocknetes und geräuchertes Fleisch als äußerste Maßnahme erlaubt sein. Wir sind entschieden gegen Wein, er ist ebenso unerlaubt wie Narkosen, doch es gibt Krankheiten, bei denen Alkohol nötig ist. Wir sind entschieden gegen alle Narkotika, doch es gibt Fälle von derart unerträglichen Leiden, daß ein Arzt keine andere Möglichkeit hat, als darauf zurückzugreifen.

Es werden auch Einwände gemacht werden: Warum wendet man nicht Suggestion gegen Schmerzen an? Gewiß, man könnte es tun, aber es ist nicht leicht, einen Menschen zu finden, der genügend Suggestionskraft besitzt. Man könnte annehmen, daß diese Hinweise von Uns klar genug sind, aber es gibt Menschen, die Verwirrung hervorrufen und Schaden verursachen. Die Flüsterer werden bestätigen, daß Wir Gebrauch von Wein, Betäubungsmitteln und Fleisch erlauben. Sie werden ein absolutes Verbot verlangen, aber wenn sie selbst hungrig oder krank werden sollten, dann werden sie die ersten sein, die dem Lehrer Vorwürfe machen, der sie ohne Alternative ließ.

Außer Scheinheiligkeit kann man alle möglichen Listen erwarten. Die Menschen sind bereit, sich selbst zu täuschen, wenn sie nur ihre Schwächen rechtfertigen können. Doch darüber pflegen sie nicht nachzudenken, welche Gefahren sie hervorrufen. Anscheinend wünschen sie Unsere Mitarbeiter zu werden, aber wo ist die Besorgtheit, die jeder Zusammenarbeit zugrundeliegt?

Der Denker pflegte zu sagen: «Hütet Euch vor allen Versicherungen von Liebe. Die Große Grundlage der Welt bedarf keiner Versicherungen, sondern braucht Handlungen!»

Mir scheint, daß die hier angeführten Gespräche die Haltung der Lehre der Lebendigen Ethik zu dem Problem der Ernährung und dem Genuß von Alkohol völlig klar machen.


1939

In einem meiner Briefe schrieb ich bereits, daß ich den Ehestand für einen heiligen Begriff halte und auch niemals einen Stein auf eine Frau werfen würde, die ihrer selbstaufopfernden Liebe wegen die eingefahrenen gesellschaftlichen Konventionen ignoriert hat, vorausgesetzt jedoch, daß sie ihr Glück nicht auf dem Unglück anderer aufbaut. Mit scheint, daß dies deutlich genug ist und ich möchte nicht auf weitere Erklärungen hinsichtlich aller Fälle eingehen, bei denen es erlaubt ist, die Konventionen zu verletzen. Schließlich versteht jedes vernünftige Menschenwesen vollkommen die Bedeutung der Unverletzbarkeit der Ehe und der Harmonie der Familie für die heranwachsende Generation und im Aufbau des Staates. Es heißt in der Lehre, daß die Familie der Prototyp des Staates ist. Die Wohlfahrt und das Wohlergehen des Staates beruhen auf den festen Grundlagen der Familie.

Wenn man jedoch die unveränderlichsten kosmischen Wahrheiten anführen wollte. die die Unverletzbarkeit der Ehe festlegen, würde die Mehrheit diese verkündete Wahrheit zweifellos benutzen, um ihre Verletzung zu rechtfertigen. Wenn man ihnen versichern würde, daß der Heiligkeit und Unverletzbarkeit der Ehe die große Wahrheit über Zwillingsseelen zugrunde liegt, werden sie sofort mit einem erleichterten Gewissen anfangen, nach der Hälfte zu suchen, die zu ihnen gehört und werden sie unfehlbar am häuslichen Herd eines anderen finden. Nicht wenige erklären alle ihre Verliebtheiten als kosmische Anziehungen. Ist es möglich, diesen Menschen klarzumachen, daß gerade die Reinheit ihres Ehelebens sie schneller dazu führen wird. die verwandte Seele zu finden? Wenn man ihnen sagen würde, daß Zwillingsseelen während sittlicher Ausschweifungen einen besonderen Antagonismus gegeneinander fühlen, würden sie es nicht glauben und sich entrüsten. Dagegen sind die schönsten Vereinigungen und besten Möglichkeiten nur dort erreichbar, wo eine Reinheit des Gefühls vorhanden ist. Infolge der sittlichen Veiderbtheit der heutigen Menschheit ist eine harmonische Vereinigung am allerseltensten, doch nur durch sie werden die größten Errungenschaften in allen Welten möglich.

Es ist entsetzlich zu beobachten, wie leichtsinnig die Menschen an die Lehre herantreten, die die ernsthafteste, eindringlichste Haltung zu allen lebenswichtigen Fragen von ihnen fordert, zusammen mit einer Erkenntnis unserer vollen Verantwortung, nicht nur für jede Handlung, sondern auch für jeden Gedanken. Die Lebendige Ethik fordert, obgleich sie in erster Linie die moralischen Grundlagen erklärt, ebenfalls volle Erkenntnis der Verantwortung, Erfüllung der Pflicht und der angenommenen Verpflichtungen und in allem und allen gegenüber Ehrlichkeit. Jede Lüge, jede Täuschung, jede Heuchelei wird streng verurteilt. Ein Mensch, der den Pfad der Lehre der Lebendigen Ethik betreten hat, muß Rechenschaft über seine Taten ablegen und sollte wissen, daß seine Verletzung der moralischen Grundlagen doppelte Folgen für ihn nach sich ziehen wird, denn er kann nicht sagen, daß er aus Unwissenheit handelte.

Reinheit im Eheleben ist also eine absolute Bedingung für alle wahren Jünger. Wie kann man an die Bündnisse des Lichtes herantreten, wenn die Seele voll zügelloser Gefühle ist? Einer der Lehrer sagt: „In alten Zeiten mußte der Meister, der Silber läuterte, vor dem Schmelztiegel sitzen, in dem die geschmolzene Metallmasse war, bis er sah, daß sich sein Gesicht in dem geläuterten Metall widerspiegelte. Die Verbesserung der menschlichen Essenz - das Evolutionsgesetz - verfeinert grobe Lebensformen einem vollkommenen Muster entsprechend und muß diese Form zu dem Entwicklungspunkt bringen, wo dieses Muster in jeder organischen Zelle dieser Formen widergespiegelt wild, in allen Umständen und Zuständen - physisch, mental und geistig. Und Feuer, nämlich Druck, Spannung und Leiden, ist der einzige Hebel, durch den die Masse - die menschliche Rasse - aus dem Schmelztiegel herausgehoben werden kann. Die physische Substanz muß in das Licht der Substanz der höheren Mentalität emporgehoben werden, wo der Verzicht auf jegliche Anhänglichkeit an die niedrigen Zustande der Substanz - die Leidenschaften - die Manifestation von verfeinerten und vervollkommneten geistigen Formen möglich macht...

Jeder vernünftige Mensch kann nicht umhin, die große Notwendigkeit zu sehen, die Methoden der Eheschließung und gewisse Vereinbarungen in bestehenden Ehegesetzen zu ändern, wenn wir eine bessere Rasse von Menschenwesen sehen möchten, die im Begriff ist, die unsrige zu ersetzen. Aber die Ablehnung der jetzigen Ehegesetze, eine bewußte Herabsetzung von Idealen, und die Annahme einer Gesetzlosigkeit, die in vorsintflutlichen Zeiten herrschte, kann nur eine einzige Konsequenz haben - Degeneration. Die Menschheit wird nicht durch Rückkehr zu den Tiefen vergangener Jahrhunderte Kraft und Wissen erlangen, nur eine reinigende fortschrittliche Bewegung ruft Evolution hervor. Darum sollten Schulbildung und Erziehung auf das Finden einer wahren ehelichen Vereinigung beider Seilen gerichtet sein, und die Einehe muß eingeführt werden, statt der existierenden liederlichen Vermischung der Geschlechter. ...

Ein guter Gärtner, der eine schöne Blume einer gewissen Pflanzenfamilie kultivieren möchte, sammelt Samen oder nimmt ein Pfropfreis vom besten Exemplar der erwählten Spezies und verbindet es mit einem anderen Exemplar der gleichen Familie, und wenn er auf diese Weise eine makellose Variante erhält, wird er nicht versuchen, ihre Samen mit den Unterarten derselben Familie zu mischen. Die gleichen Gesetze sind auch auf die menschliche Rasse anwendbar. Keine Widerlegung von dem, was gewöhnlich «sexuelle Freiheit» genannt wird, kann deshalb etwas anderes daraus machen, als Freiheit zur Befriedigung der niedrigen Begierden. ...

In der zukünftigen vollkommeneren Rasse werden wahre Ehen ebenso allgemein sein, wie sie gegenwärtig selten sind. ...

Natürlich ist es undenkbar, auf der Fortführung des Ehebundes zwischen Menschen zu bestehen, die antagonistisch, treulos und grausam zueinander sind, denn dies wäre die schlimmste Art von Tyrannei, aber es ist nötig, eine sorgfältige Wahl einzuführen und natürliche Mittel zu verwenden, um eine weise Verbindung herzustellen. Ein falscher oder ungünstiger Aspekt der Planeten, begehrliche Überlegungen oder eine abnormale sexuelle Anziehung, die an einen ungesunden Zustand grenzt, sind für die Mehrzahl unglücklicher und unnatürlicher Ehen verantwortlich.

Die Menschheit entwickelt sich jetzt unter einem anderen Aspekt des universalen Gesetzes als dem. der die Geburt und Evolution des Menschen während der ersten Jahrhunderte dieses Zyklus beherrschte. Das Gesetz der Differenzierung - der Uneinigkeit - herrschte in der fernen Vergangenheit, während jetzt in erster Linie das Gesetz der Einigkeit wirkt, und diejenigen, die aus egoistischen Wünschen versuchen, gegen den vorherbestimmten Göttlichen Plan zu opponieren, schließen sich vom evolutionären Strom aus...»

Zum Schluß will ich Dir noch ein Zitat geben: „Die Frau der jetzigen Rasse nähert sich im kommenden Zyklus dem höchsten Punkt, und jede Frau, die den Mann von seinem niedrigen «Ego» dadurch erretten kann, daß sie selbst nicht den Versuchungen unterliegt, die ihre niedrige Natur auch ihr in den Weg stellt und dadurch die Existenz einer höheren Lebensphase bestätigt - diese Frau wird im kommenden Zyklus mehr für die Errettung der Rasse tun, zu der sie beide gehören, als der Mann, wie groß er auch sein mag. Die kommende Epoche ist die Epoche der Frau, und darum wird am Ende gerade die Frau, viel mehr als der Mann, zu strenger Verantwortung für die Unmoral unseres Zeitalters berufen werden. Die kommende Zeit bietet der Frau eine große Möglichkeit, darum bitte ich Euch, Töchter des Lichts, nochmals dringend, betet, daß der Gott in Euch Euch helfen möge, Reinheit zu bewahren...»


26. Januar 1939

Alle Symptome, die Du hinsichtlich der Unausgeglichenheit in Deinem System beschreibst, sind mehr als verständlich. Wer kann in den Tagen von Armageddon gegenüber den unglaublichen Gegenströmen im Rhythmus der kosmischen Ströme gleichgültig bleiben, die auf alles einwirken, was existiert? Armageddon ist nicht nur schreckenerregend wegen der Freisetzung der dunklen Kräfte, sondern auch wegen dieser Disharmonie der Ströme, die in erster Linie auf besonders empfindsame Organismen schwer zurückwirken und dadurch die kühnen Kämpfer gegen die überschwemmenden Wogen des wütenden Chaos vorübergehend aus dem Gleichgewicht bringen. Nur ein starker, disziplinierter Wille, Wissen und standhaftes Streben auf dem angedeuteten Pfad des Lichts kann vor den ernsten Folgen dieser kosmischen Störungen schützen. An solchen Tagen sollte man ständig daran denken, daß die Stunde der Erprobung unserer Kräfte gekommen ist und die geringste Abweichung oder Willensschwäche uns auf den Pfad des Unheils hinwegtragen kann. Gesegnet ist derjenige, der während der Tage von tiefster Bedeutung mit feierlichem Ernst erfüllt sein kann.

Das ganze moralische Niveau des Menschen gleicht einem Barometer, entweder steigt es oder es fällt, wie Pigoroff (ein großer russischer Wissenschaftler) sagt, und besonders gefahrlich sind jene Schwankungen, die nicht durch Ideen, sondern durch Instinkte und den niederen Psychismus hervorgerufen werden. Während unheilvoller und unvermeidlicher Perioden, wo es um die Moral besonders traurig bestellt ist, muß man alle Kräfte des Geistes zur Selbstvervollkommnung lenken. Darum hast Du recht, wenn Du fragst, wie man Geduld erlangen kann, denn ohne diese Eigenschaft ist es unmöglich, Selbstvervollkommnung zu beginnen. Geduld liegt im Innersten aller Errungenschaften, darum ist sie die vornehmste Eigenschaft. Am allericichtesten ist es, Geduld durch Liebe zum Dienst und zum Großen Lehrer zu erlangen. Natürlich wird sie in uns auch während direktem Wissen bestätigt, oder besser gesagt, wenn wir durch die erhabene Bedeutung dieses speziellen Begriffes - Geduld - geistig erleuchtet werden, aber solche Errungenschaft ist viel schwerer. Wie bei allem ist der Pfad der Liebe der kürzeste und der schönste, und für den, der weiß, was Liebe ist, ist es auch der leichteste. Daher ist mein Rat für Dich, der Du das feurige Brennen des Herzens zur Lehre gefühlt hast, Dich durch Liebe in Geduld zu stärken. Jede Gereiztheit, die unterdrückt wird, jede Offenbarung von Duldsamkeit wird der Gabe einer Blume für die Lehre gleichen.

Man kann sich auch durch die Entwicklung einer beständigen Erinnerung an diese Qualität in allen Lebensumständeh beträchtlich helfen. Es ist tatsächlich nötig, eine solche Erinnerung zu erreichen, damit sie, unabhängig von allem anderen, beständig. wachsam in Deinem Bewußtsein bleibt, bereit, Dich jede Minute an sie zu erinnern. Ein altes Mantram hat ebenfalls die Stärkung dieser Erinnerung im Sinn. Genau, Erinnerung fördert Selbstdisziplin, die recht schwer ist. Viele Jahre vergehen, bis es uns gelingt, unsere Gefühle zu zügeln, die stets bereit sind, die geringste und unvermutetste Anregung widerzuspiegeln. Geduld ist wirklich eine der schwersten Eigenschaften, nicht umsonst heißt es, daß der wahrhaft große Mensch der ist, der groß in Geduld ist. Das, was schwer ist, ist jedoch wirklich wertvoll, darum ist es richtig, seine ganzen Kräfte zur Herrschaft über diesen Schatz aufzuwenden.

Du fragst: „In welchen Fällen sollte man den Kanon «Durch deinen Gott» anwenden, und wann haben wir die Pflicht, «Widerstand gegen das Böse zu leisten»?» Als Beispiel führst Du das Gebet Christi von der Vergebung denen gegenüber an, die ihn verfolgten, «denn sie wissen nicht, was sie tun». Und hier ziehst Du die Schlußfolgerung, daß „wenn Handlungen gerechtfertigt werden sollen wegen der Bewußtseinsstufe des Menschen, der handelt, aber nicht weiß, daß seine Handlungen durch Dunkelheit verursacht sind, dann kann man vermuten, daß man anscheinend solchem Bösen nicht widerstehen sollte, wie Christus es tat.»

Darauf möchte ich antworten, daß der Kanon „Durch deinen Gott» und Wider-standslosigkeit gegen das Böse zwei gänzlich verschiedene Begriffe sind. Der Kanon „Durch Deinen Gott» bedeutet mit anderen Worten Zurückhaltung und gleichzeitig ein rechtes Gleichmaß. Gerade das rechte Gleichmaß läßt die Duldung des Bösen nicht zu. Der Kanon „Durch Deinen Gott» ist anwendbar, wo etwas Gutes offenbar ist, selbst wenn es begrenzt verstanden wird» Aber die Anwendung dieses Kanons in bezug auf das Böse als Widerstandslosigkeit dagegen, wird nicht nur eine Art Duldung sein, sondern sogar Zusammenarbeit mit dem Bösen. Widerstandslosigkeit gegen das Böse ist Zulassung des Einfalls von Chaos, was alles mögliche Unheil und den Untergang Unzähliger zur Folge hat.

Es ist bedauerlich, die Lehre Christi gewöhnlich als die Lehre der Widerstandslosigkeit gegen das Böse zu betrachten. Dies ist der schrecklichste Irrtum. Wahrhaftig, Christus verurteilte alles Böse, alle Heuchelei und eine nachlassige Haltung zum Guten aufs strengste. Aber man sollte lernen zu beurteilen, wo Widerstandslosigkeit gegen das Böse gebraucht werden kann und welche Maßnahmen in jedem Fall anwendbar sind» Eine sinnlose Wahl derselben kann zu noch größerem Unheil oder zur Auflösung führen. Man sollte auch wissen, daß jeder geistige Lehrer einen Eid ablegt, jene nicht niederzuschlagen, die Angriffe auf sein Leben machen. Daher konnte auch Christus der groben Gewalt, die gegen Ihn gerichtet war, keinen Widerstand leisten. Aber Er widerstand dem Bösen mit jedem Seiner Worte, bei jeder Seiner Handlungen, wenn sie Ihn nicht persönlich betrafen. Seine Aufgabe war, Seinen Pfad durch menschliche Füße und Hände zu vollbringen und den Menschen zu offenbaren, daß man sich in der größten Liebe für die Menschheit opfern und die grausamsten Foltern erdulden kann wegen des Verlangens, den Menschen das Licht der Wahrheiten zu bringen, die sie beständig vergaßen. Das Gebet Christi für seine Folterknechte ist voller Erbarmen und sogar Gerechtigkeit, denn wahrlich, was konnten die gedungenen Folterknechte von der Größe desjenigen wissen, den sie folterten? Den zu foltern ihnen BEFOHLEN war! Wahrlich, nicht die gedungenen Folterknechte, sondern ihre Anstifter luden sich das bitterste Karma auf. In ähnlicher Weise bereitete Pilatus, der sich die Hände wusch, das schwerste Schicksal für sich, weil er WIDERSTANDSLOSIGKEIT gegen das größte Übel zeigte, als es in seiner Macht stand, es zurückzuhalten. Es ist richtig, daß eine böse Handlung kannisch in das rechte Gleichmaß mit dem Bewußtsein gebracht wird, das es beging. Alles, was in Bosheit geplant wird, färbt die Aura besonders stark und lastet schwer auf dem Bewußtsein. Und gleichzeitig verlängert und erschwert der Mensch, der das Böse hervorruft, unermeßlich seinen Pfad, während er sich nur unklar dessen bewußt ist, was er tut, weil er erst anfangen kann, sein Schicksal zu verbessern, nachdem er die Tiefe des Bösen, das er hervorgerufen hat, erkennt. Man kann tatsächlich für jene beten, die die Bedeutung ihrer Handlungen nicht verstehen, denn schmerzlich ist das Schicksal eines solchen tierahnlichen Geisteszustands. So sagte der Herr Buddha: „Von zwei Menschen, die den gleichen Irrtum begangen haben, ist derjenige am schlimmsten dran, der ihn nicht erkennt. ... Denn man kann nicht erwarten, daß ein Mensch, der sich nicht schuldig fühlt, sich bemüht, seinen Irrtum aufzugeben. Um sich zu heilen, muß man sein Leiden kennen, aber die Erkenntnis deselben verleiht keine Gesundheit, dafür ist die notwendige Voraussetzung eine Willensäußerun.» Karma wird durch Gedanken hervorgerufen, darum „ist es nicht verdienstlich für einen, der Gold gibt und glaubt, er gibt einen Stein.» Das Glück der Menschheit liegt in der Beschleunigung der Evolution, und man kann sich vorstellen, wie das niedrige Bewußtsein der Mehrheit die Evolution zurückhält.

Du nimmst an, daß „die schwarzen Täter, die Schaden anrichten, glauben, daß gerade sie Gutes tun». Aber ich stimme dieser Vermutung nicht zu. Alle Menschen, die bewußt Schaden anrichten, kennen in den Tiefen ihres Bewußtseins ganz genau die gierige Ursache ihrer Handlungen. Sogar die sogenannten unbewußten Übeltäter versuchen stes aus irgendeinem Grund, keinen persönlichen Schaden zu erleiden, vor allem nicht für ihren Geldbeutel. Die Bewußtseinsgrade sind endlos, und wir können noch immer recht viele tierähnliche Bewußtseine sehen. Wahrlich, es gibt kein größeres Unglück als Unwissenheit.

Der Kanon „Durch deinen Gott» muß jedoch im Leben angewandt werden, nahezu bei jedem Schritt. Während jeder Unterhaltung ist es, wenn keine Einheit der Bewußtseine besteht, unsere erste Pflicht, unseren Gefährten nicht dadurch in Wut zu versetzen, daß wir ihm widersprechen und seine Überzeugungen tadeln, sondern wir sollten seinen Horizont geduldig erweitem, angefangen mit den besten Möglichkeiten und unter Berücksichtigung seiner Bewußtseinsstufe. Wenn Du mit einem Moslem sprichst, wirst Du nicht damit anfangen, den Herrn Buddha zu preisen oder Mohammed herabzusetzen, sondern Du wirst alles mit ihm austauschen, was schön in seiner Religion ist, und wenn sich die Gelegenheit ergibt, wirst Du die Bedeutung einiger Worte Mohammeds, die in die Schatzkammer der Weisheit der Welt eingegangen sind, tiefer und umfassender erklären. Ebenso wirst Du in anderen Situationen im Leben handeln. Du wirst mit einem eifrigen Chauvinisten nicht gegen sein Land sprechen, sondern die besten Ausdrücke und Eigenschaften seiner Nation entdecken und ihn auf neue Möglichkeiten hinweisen, ihre besonderen Fähigkeiten zu entwickeln. Die Weite Deines Verständnisses für nationale Überzeugungen wird den Vertreter des Chauvinismus besänftigen, und für ihn unerwartet, wird sein begrenztes Bewußtsein anfangen, auf den Ton der Einbeziehung zu reagieren. Und auf diese Weise sollte man lernen, zeitgemäße Unterhaltungen ohne Feindseligkeit zu führen, vielmehr seinen Gefahrten mit Freundlichkeit beurteilen. Genau, führe die Gespräche mit GEDULD und mit Respekt für Deinen Gegner und erlaube keine Gereiztheit, keinen Spott und andere unwürdige Mittel. Und bei jedem Gespräch sollte man verstehen, sein Ich, sein Wissen zu opfern, und sich nicht seiner Erleuchtung zu rühmen. Erinnere Dich, wie es in der Lehre heißt, daß nur wichtigtuerische Unwissenheit es liebt, die trockenen kleinen Zweige ihrer Kenntnisse auf den Fensterbrettern auszulegen, daß jedoch derjenige, der wirklich weiß. sich nicht fürchtet, ein Stück seines Wissens abzuschneiden, wenn es seinen Gefährten bedrücken und demütigen konnte. Auf diese Weise ist der Kanon „Durch deinen Gott» nur eine Offenbarung von Selbstlosigkeit, ohne die nichts erreicht werden kann. Es ist ein großer Irrtum, ihn mit Widerstandslosigkeit gegen das Böse zu vergleichen. Wenn Du möchtest, nimm diesen Kanon als eine Offenbarung von Barmherzigkeit an. Und so ist der Kanon „Durch deinen Gott» völlig mit Widerstand gegen das Böse vereinbar. Man kann dem Bösen auf verschiedene Art und Weise ein Ende machen, und das direkte Wissen sollte die Grenzen der Möglichkeiten eingeben, wenn man den gegebenen Kanon anwendet.

Und an Paragraph 378 in Hierachie muß man sich ganz entschieden erinnern, denn jeder von uns sollte danach streben, das Böse auszulöschen und zurückzuhalten, in erster Linie natürlich in sich sich selbst und in seiner eigenen Umgebung. Wahrhaftig, mit unserem ganzen Sein, mit allen Kräften der Seele, sollten wir das Gute aufrechterhalten und das Böse bekämpfen, sowohl jenes Böse, das außerhalb von uns ist als auch dasjenige, das sich in unserem Inneren einnistet. Das Böse ist immer böse, ungeachtet seines Wohnsitzes. Wir sollten uns daran erinnern, daß es ein schwerer Kampf für das geliebte Streben nach Wahrheit und Vollkommenheit ist, der Aufgabe, für die der menschliche Geist ausersehen ist. Wie Pirogoff sagt:

„Man sollte entschieden mehr Aufmerksamkeit der Erziehung widmen als der Schulbildung», und damit hat er völlig recht. Aber im täglichen Leben hat das Wort Erziehung die häßlichste Nebenbedeutung angenommen und man versteht darunter, sich gute Manieren anzueignen und sich im Sport zu üben. Nur wenige denken darüber nach, daß Erziehung in erster Linie die ganze innere Substanz des Menschen und den ganzen Charakter bedeutet, und daß die Grundlagen der Ethik in das Bewußtsein des Kindes vom frühest möglichen Alter an eingeprägt werden müssen. Aber ach! Im besten Falle wird uns die Ethik von Preisboxern gelehrt.

Und nun etwas anderes. Die Gerüchte, von denen Du berichtest, die von rachsüchtigen Menschen verbreitet werden, sind charakteristisch für unerleuchtete Elemente mit wenig Kultur, die überall und in allem dazu neigen, jeden nach seinen eigenen geheimen Begierden zu beurteilen, und natürlich steht die Frage materiellen Wohlergehens bei ihnen an erster und angesehenster Stelle. Darum ist ihr ganzer Verdacht gewöhnlich auf diesen Gesichtspunkt gerichtet.

Sind wir nicht daran gewöhnt, vom Durchschnittsbürger in jedem Land in der Welt zu hören, daß seine Regierung nur an ihre eigene Wohlfahrt denkt, daß alle ihre Beamten korrupt und bestechlich sind etc.? Und wo solche Bürger Anzeichen von Tätigkeiten sehen, die über ihr Bewußtsein hinausgehen, oder von Ausgaben für Kunstwerke, die sie in ihrer Unwissenheit nicht zu schätzen gelernt haben, beginnen ihre blinde Bosheit und ihr Neid zuallererst damit, genau dieselben Muster um irgendwelche geheimnisvollen Quellen von Geldmitteln, von verborgenen Plänen etc. zu weben. Alle Zeitalter hindurch wurde das wirklich Gute verfolgt, nur der täuschende Glanz von Pseudowahrheiten ist dem durchschnittlichen Herzen lieb und teuer. Warum sollte man glauben, daß das Bewußtsein der Mehrheit in unserem Zeitalter der rohen Gewalt anders ein würde? Nach den Gerüchten und Ansichten, die Du anführst, kann man tatsächlich den Grad der sittlichen und kulturellen Entwicklung solchen Denkens beurteilen.

Wahrhaftig, dieses Bewußtsein wird nicht weit vom Bewußtsein der Bauern entfernt sein, die während der Choleraepidemie die Ärzte töteten und sie beschuldigten, ihre Brunnen vergiftet zu haben. Man muß solche Nörgeleien genau derselben Quelle allen Übels und Unheils zuschreiben, nämlich der Unwissenheit. Ja, Schulbildung mag erreichbar sein, aber Erziehung ist viel schwerer, und was den Zustand der Kultur betrifft, so ist das eine Ausnahme, denn sie ist das Zeichen wahrer Aristokratie, der Aristokratie des Geistes und der Seele.

Du hast recht - sich mit einem unwissenden Gegner auf einen Streit einzulassen ist sinnlos. Die Zeitungsspalten sind augenblicklich meist voll von solchen Verleumdungen voller Grobheit und Vulgarität. Es gibt sogar einen Scherz, daß sich etwas als wahr erwies, obwohl es in der Zeitung gestanden hat. Das gedruckte Wort hat seine einstmalige unfehlbare Autorität und die hohe Bedeutung verloren, der breiten Masse das Licht zu bringen. Es gibt heute nicht wenige Zeitungen, die keine Verbreiter von Erleuchtung sind. sondern gelinde gesagt, leider Brutstätten aller möglichen Täuschungen. Die wertvollsten Gedanken, die konstruktivsten Aufgaben und Ansichten von hervorragenden Menschen finden nicht einmal Platz auf den letzten Seiten dieser „Aufklärer» der Massen.

Um einen Widerruf wirkungsvoll zu machen, ist es außerdem nötig, daß er in der gleichen Zeitung gedruckt wird, in dem der Artikel erschien, gegen den man protestiert. Dem zeitgenössischen Cicero, der ausruft: „O Catalina, wann wirst du aufhören, uns zu verfolgen!» würde ich antworten:

„Ich hoffe, niemals, denn das Ende der Verfolgung würde den Anfang des Zerfalls bedeuten.» Es gibt ein irdisches Gesetz, nach dem Zersetzung von dem Augenblick an beginnt, wo die Verfolgung aufhört und allgemeiner Beifall erreicht wird. Kampf ist die Grundlage der Existenz und des Fortschritts, ohne ihn wird der Mensch zu einer Null und wendet sich der Ausschweifung zu. In unseren Tagen ist der Kampf tatsächlich stärker und umfassender geworden, denn heutzutage kann man kein einziges Lebensgebiet nennen, in dem sich kein Zusammenprall zwischen verschiedenen Prinzipien ereignet. Deshalb sagt die Lehre: „Liebt den Kampf!» Aber wir müssen danach streben, diesen Kampf in eine erhabenere Ebene zu übertragen, und hierfür ist es notwendig, seine eigene innere Wahrheit dadurch zu entwickeln und zu bestätigen, daß man tiefer in die Lehre eindringt, tiefer in sich selbst und in einen strengen Kampf mit sich selbst. Auf diese Weise werden wir uns selbst und all jene emporheben, die mit uns in Berührung kommen. Wieder sind wir auf den erhabenen Begriff Erziehung und Selbsterziehung zurückgekommen. Damit will ich enden.

Ich sende Dir Mut, während der ernsten Tage von Armageddon Geduld und feierlichen Ernst zu erlangen. In besonders schweren Augenblicken vergleiche Dich mit den Millionen Unglücklicher, und Du wirst Frieden finden. Vergleiche sind nützlich. Alles Licht Dir!

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