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17. April 1936

Obwohl ich durch Deine Wachsamkeit gerührt bin, muß ich Dir dennoch sagen, daß die Verteidigung der Lehre nicht durch Kritik oder Verurteilung anderer ausgedrückt werden sollte, sondern in erster Linie durch die Anwendung der Bündnisse in unserem eigenen persönlichen Leben. Wie gewöhnlich werden die beste Verteidigung und die stärkste Überzeugung durch konkrete Beispiele zur Geltung gebracht.

Darum ist die Kritik an dem Artikel „Der Solare Pfad» unbegründet. Du sagst, daß „Der Solare Pfad» von dem Verfasser als ein „Pfad der Verneinung» dargestellt wird, aber diesen Eindruck macht der Artikel wirklich nicht auf mich. Im allgemeinen Sinn des Aufsatzes wird der Verneinung ein positiver Aspekt gegeben. Alle zitierten Erklärungen entsprechen der östlichen Vorstellung, die nur in Brahman die wahre Wirklichkeit sieht und die ganze offenbarte Welt vom negativen Gesichtspunkt als Maya betrachtet, als etwas Vorübergehendes, das deshalb kein wahres Sein hat. Auch im zweiten Absatz auf Seite zehn umschreibt der Verfasser nur den östlichen Gedanken, nämlich, daß die ganze Welt nichts ist als das Spiel der Göttlichen Mutter, oder wie die Buddhisten es nennen, der Große Strom.

Du bist entrüstet über die Behautung: „Der Solare Pfad verneint Zeit und Raum etc.» Aber mit einem erweiterten Bewußtsein gewinnen Zeit und Raum eine ganz andere Bedeutung und Dimension. Gewöhnliche irdische Dimensionen sind nicht anwendbar, wo die Vereinigung der Welten stattgefunden hat. Außerdem entspricht das Gesagte völlig den Worten der Lehre: „Weder Zeit noch Raum existieren zwischen vereinigten Bewußtseinen und Herzen.» Wer von den wirklich geistigen Menschen hat diese transzendentale Wahrheit nicht erlebt und ist sich ihrer nicht bewußt!

Auch wird die Hierarchie nicht von dem Verfasser abgeleugnet. Sagt er nicht auf Seite neun: „Jeder, der ihn verfolgt (den Solaren Pfad), wird alles mit gleicher Liebe und Ehrerbietung umfassen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das Bekannte und das Unbekannte, kosmische solare Mitarbeiter und Schöpfer des Allgemeinwohls - er wird stets vor Ihnen allen stehen und erkennen, daß auch er eines Tages in Ihre Reihen eintreten wird...»

Ja, so ist es, wer sie alle liebt und verehrt und annimmt - die Schöpfer des Allgemeinwohls - nimmt auch die Hierarchie des Lichtes an.

Es stimmt auch, daß derjenige, der in seinem Herzen Liebe und Ehrerbietung trägt, keine Schule braucht (wie sie heute existiert), denn wahrlich, die Großen Brüder enthüllen dem herannahenden Bruder die Bedeutung der Erscheinungen des Lebens und lehren ihn, das Buch der Großen Mutter Natur zu lesen. Die Biene, die Honig sammelt, ist das älteste Symbol der Jüngerschaft.

Und weiter: „Der Solare Pfad kennt keine Führung außer der inneren Führung seines göttlichen Geistes.» Aber alle östlichen Lehren wie auch die Lebendige Ethik lehren uns, unbedingt unser direktes Wissen zu entwickeln, sonst ist kein Fortschritt möglich. In der Tat, Höhere Führung liegt nicht in ständigen Befehlen, sondern in Hinweisen, im sorgsamen Führen des Bewußtseins zu bestimmten Meilensteinen, damit nichts die selbständige Errungenschaft verletzt, die allein von Wert ist. Wenn der Schüler empfänglich ist, entzünden auch die unsichtbaren Berührungen des Geistes die Feuer in ihm. Alles beruht auf gegenseitiger Hilfe und Zusammenarbeit. Daher fügt der Verfasser des Aufsatzes hinzu: „Das Prinzip gegenseitiger Hilfe bereichert jene, die ihm folgen, und darum kann sich jeder auf die sichtbare und unsichtbare aktive Hilfe von allen verlassen...»

Kann das Prinzip der Höheren Führung deutlicher ausgedrückt werden als auf diese Weise?

„Der Solare Pfad kennt keine Organisationen und Gesellschaften...» Das bedeutet, daß der Pfad der Wahrheit, der Höhere Pfad, erhaben über allen Organisationen und Gesellschaften existiert, da er alle Sucher nach dem Allgemeinwohl umfaßt, alle, die den Höheren Dienst erwählt haben, er schließt also Begrenzungen und Fanatismus aus.

Und wieder: „Der Solare Pfad vereint alle, die ihn verfolgen, unsichtbar zu einer einzigen Bruderschaft.» Das ist eine sehr genaue Definition - wirklich unsichtbar, im Geist. Es ist auch wahr, daß „nur ein individuelles Bewußtsein ihn ermessen kann».

Diejenigen, die diesen Artikel nicht verstehen, begreifen auch die Grundlagen der östlichen Lehren nicht, aus denen der ganze westliche Okkultismus entstanden ist. Allerdings ist eine Eigentümlichkeit dieser okkulten oder esoterischen Lehren, daß man, um sie zu verstehen, entweder eine reiche Erfahrung aus der Vergangenheit haben oder die Geschichte des menschlichen Denkens ernsthaft studieren und sich zu eigen machen muß.

Und nun zum Aufsatz von Vivekananda. Wenn Du Vivekananda wegen seiner scheinbaren Zustimmung kritisierst, Reichtum zu erwerben, vergißt Du, daß er sich auf den gleichen Seiten auf die Pflichten des Haushalters bezieht, auf den Baumeister des Lebens, aber nicht auf die des Einsiedlers oder geistigen Lehrers. Jede Lebenslage bringt ihre eigene Verpflichtung oder Pflicht und Verantwortung, und es ist kaum möglich, die Maßnahmen eines geistigen Lehrers auf einen Baumeister des Lebens anzuwenden. Vergleichbarkeit und Zieltauglichkeit sind kosmische Gesetze, und wenn sie verletzt werden, entsteht Chaos. Außerdem schlägt Vivekananda zunächst vor, Wissen zu erwerben und erst dann Reichtum. Der ganze Sinn liegt in dem Wort dann. Mit Wissen, wie ein Hindu es versteht, würde auch Reichtum ein Segen werden, denn er würde nicht nur persönlichen Zwecken dienen, sondern dem Allgemeinwohl. Lerne, mit einem vom Herzen erleuchteten Bewußtsein zu lesen, der tote Buchstabe stumpft den Verstand ab!

Ich werde hierein Gleichnis aus dem Leben Buddhas zitieren. „Als Anathapindika, ein Mann von unermeßlichem Reichtum, der «Unterstützer der Waisen und Freund der Armen» genannt wurde ... hörte, daß Buddha sich im Bambushain in der Nähe von Rajagriha aulhielt, ... machte er sich in derselben Nacht auf den Weg, um den Gesegneten aufzusuchen. Und der Gesegnete bemerkte sofort das reine Herz von Anathapindika und grüßte ihn mit Worten des Trostes.

Anathapindika sagte: «Ich sehe, daß Du Buddha, der Gesegnete bist, und ich möchte ganz offen mit Dir reden über das, was ich auf dem Herzen habe. Nachdem Du meine Worte vernommen hast, rate mir, was ich tun soll. Mein Leben ist von Arbeit erfüllt, und da ich großen Reichtum erworben habe, bin ich von Sorgen umgeben. Und dennoch habe ich viel Freude an der Arbeit und widme mich ihr mit großem Eifer. Ich habe viele Angestellte und bin vom Erfolg meiner Unternehmungen abhängig. Nun habe ich gehört, wie Deine Jünger die Glückseligkeit des Einsiedlers preisen und die Unruhe der Welt rügen. Der Heilige, sagen sie, hat Sein Königreich und Seine Erbschaft aufgegeben und den Pfad der Rechtschaffenheit gefunden und gibt dadurch der ganzen Welt ein Beispiel, wie man Nirvana erlangt.

Mein Herz sehnt sich danach, ein Segen für meine Mitmenschen zu sein. Darum frage ich Dich, muß ich meinen Reichtum, mein Haus und meine Geschäftsunternehmen aufgeben und wie Du die Heimatlosigkeit wählen, um die Wonne des rechtschaffenen Lebens zu erlangen?»

Und Buddha erwiderte: Die Wonne des rechtschaffenen Lebens ist jedem erreichbar, der auf dem edlen achtfältigen Pfad wandelt. Wer an Reichtum hängt, sollte ihn lieber wegwerfen, als seinem Herzen erlauben, sich von ihm vergiften zu lassen. Aber wer nicht an seinem Reichtum hängt, und wer die Reichtümer, die er besitzt, richtig verwendet, wird ein Segen für seine Mitmenschen sein. Ich sage Dir, bleibe bei Deiner Stellung im Leben und widme Dich eifrig Deinen Unternehmungen. Nicht Leben, Reichtum und Macht versklaven die Menschen, sondern ihre Zuneigung zum Leben, zu Reichtum und Macht. Der Bikshu, der sich von der Welt zurückzieht, um ein müßiges Leben zu führen, zieht keinen Nutzen daraus. Denn ein Leben der Trägheit ist ein Greuel, und Mangel an Energie sollte verabscheut werden Das Dharma des Tathagata fordert nicht, daß ein Mensch Heimatlosigkeit erwählt oder der Welt entsagt, es sei denn, daß er sich dazu berufen fühlt. Aber das Dharma des Tathagata verlangt, daß jeder Mensch sich von der Illusion des Ichs befreit, daß er sein Herz reinigt, seinen Durst nach Vergnügungen aufgibt und ein rechtschaffenes Leben führt.

Und was die Menschen auch tun mögen, ob sie in der Welt bleiben als Handwerker, Kaufleute oder als Beamte des Königs, oder sich von der Welt zurückziehen und sich einem Leben religiöser Meditation hingeben, immer sollten sie ihre Aufgaben aus vollem Herzen tun. Sie sollten fleißig und tatkräftig sein. Und wenn sie wie die Lotusblume sind, die, obgleich sie im Wasser wächst, doch unberührt vom Wasser bleibt, wenn sie im Leben kämpfen, ohne Neid oder Haß zu hegen, nicht selbstsüchtig sind, sondern ein Leben der Wahrheit führen, dann werden sicherlich Freude, Frieden und Wonne in ihrem Inneren weilen.»

Ganz ähnlich ist der Artikel von Vivekananda mit dem Geist der Zieltauglichkeit in allem erfüllt.

Man sollte sich nicht zu viele Sorgen über Anfänger machen. Sie werden straucheln, denn dieses Straucheln ist auch auf den nächsten Stufen unvermeidlich. Eines sollte jedoch immer wieder gesagt werden - bei allem vermeidet den toten Buchstaben und ein einseitiges Urteil.

Sei vorsichtig in bezug auf gewisse Schmerzen und halte sie nicht unbedingt für heilige Schmerzen. Du bist noch jung, und viele heilige Schmerzen wären zu früh. Außerdem ist die Atmosphäre der Großstadt für solche Erscheinungen nicht günstig. Darum bitte ich Dich, mit Deiner Gesundheit sehr vorsichtig zu sein. Augenblicklich müssen die Kämpfer des Lichts Tag und Nacht kämpfen, denn Armageddon ist schrecklich. Darum sei vorsichtig und gestatte Dir keine Exzesse, denn sie werden zu nichts führen, als Deine Gesundheit zu ruinieren. Geistigkeit kann nur durch die Reinigung von Gedanken und durch Arbeit erreicht werden. Strebe auf diesem höchsten und kürzesten Pfad.

Die Ereignisse häufen sich und demgemäß beschleunigt sich alles. Judasse, Cassiusse und Brutusse in modernen Ebenbildern sind auf dem Pfad des Lichts unvermeidlich. Keine Lehre ist je ins Leben getreten, ohne von den Horden der Dunkelheit angegriffen zu werden. Dasselbe findet auch heutzutage statt, Wahrlich, die Dunklen unterstützen die Offenbarung von jedem Werk des Lichtes, daher kennen wir den Wert aller Hindernisse und sogar der Verleumdung. Vor langer Zeit schrieb N.K. einen Aufsatz „Lob den Feinden!» Jeder Verrat gibt allen treuen Mitarbeitern und Freunden die Gelegenheit, sich noch enger zu vereinigen. Alle möglichen Handlungen werden geschehen, die sogar bis zu Verrat gehen und diesen einschließen, aber auf der irdischen Ebene sind solche Erscheinungen notwendig. Der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit muß offenbart werden.

Ich erinnere mich an eine gezielte Bemerkung eines Zeitgenossen von H.P. Blavatsky: „Trotz allem, was über H.P.B. geschrieben wurde, geriet sie durch irgendeine Verleumdung nie aus der Fassung, denn sie kannte den Wert der Trommel.»

Darum sollen sie nur die Trommeln schlagen! Und in der Lehre sind schon genug Definitionen der Verleumdung. Wir sollten uns nicht fürchten!

Aber ich muß Dir offen gestehen, ich bin erstaunt über die Feindseligkeit gewisser Leute, die Du erwähnst. Sicher, nichts kann auf Bosheit aufgebaut werden. Überall wo Bosheit und Haß sind, dort kommt tödlicher Verfall Man mochte ihnen gern sagen: „Warum laßt Ihr Euch täuschen durch den blutigen Nebel der Bosheit?» Dadurch können sie viele nützliche Möglichkeiten übersehen. Aber möge Gott ihnen helfen! Was uns selbst betrifft, so wollen wir unsere Arbeit strahlend und freudig fortsetzen, denn während die Verleumdung zunimmt, werden auch die Reihen der Freunde reichlich durch neue wertvolle Mitarbeiter verstärkt Nie zuvor haben wir so viele und feurige Briefe von unseren Freunden erhalten, oft von ganz unbekannten Menschen. Alles geht auf unerforschliche Weise vor sich. Das Jahr, das vor langer Zeit angekündigt wurde, begann mit Donner und Blitz. Aber nach dem Gewitter ist die Atmosphäre gereinigt.

Ich werde diesen Brief mit einem Zitat aus dem buddhistischen Anguttara Nikaya beenden: „Krieger, Kämpfer, denn das sind wir tatsächlich. Wir kämpfen für edlen Mut, für hohes Streben, für die höchste Weisheit. Darum nennen wir uns Kämpfer!»


2. April 1936

Die Gedanken, die Du über ein Symbol ausgedrückt hast, sind sehr schön und durchaus wahr - der Kelch von Amrita, der Kelch der Schönheit und der Errungenschaft, der Kelch - der Heilige Gral! Die Legende über den Kelch - den Gral - kam auch aus dem Osten als eine der Versionen einer großen geistigen Errungenschaft und eben desselben mysteriösen Shambhala. Nebenbei, einige Forscher der Symbolik, die mit dem Gral verbunden ist, verstehen diesen Kelch als den Stein, der gegenwärtig in der Welt ist und historische Ereignisse begleitet, später soll er angeblich wieder zum „Herzen» Asiens zurückkehren, Auch diese Auslegung kommt der Wahrheit nahe. Aber der Kelch selbst existiert, und vor Beginn einer neuen Ära wird er dorthin zurückgesandt, wo die Kalachakralehre bestätigt werden wird. Es gibt viele Legenden über diesen Kelch. Eine besagt, daß der Kelch immer unvermutet und durch die Luft kommt. So wurde er zur richtigen Zeit dem Herrn Buddha gesandt. Der Ursprung dieses Kelches ist ägyptisch und sein Alter geht auf etwa zwölftausend Jahre vor Christus zurück. Nach dem Tode Buddhas befand sich dieser Kelch eine Zeitlang in einem Tempel von Karashar, aus dem er verschwand, und seitdem ist er in Shambhala gehütet worden. Nach allen Legenden wird dieser Kelch vor der Neue Epoche des Maitreya wieder erscheinen, Und nun - die Schlange, die sich um den Kelch windet, hat auch die Bedeutung eines Gürtels, und wie Du weißt, wurde der Gürtel im Altertum als ein Zeichen der Würde, der Macht und des größten Vertrauens betrachtet, sogar mehr als der Ring. In diesen Symbolen können wir also sowohl eine kosmische Bedeutung als auch eine praktische Anwendung sehen: Das Bündnis der Zeiten, der Große Advent die Epoche des Feuers und der Erneuerung des Geistes, der Weisheit und Synthese, der Errungenschaft und der Unsterblichkeit, die Zeichen des Höchsten Vertrauens und der Ruf, der in Pupur gekleidet ist, der Farbe des Heldenmuts.

Ausgezeichnet sind auch Deine Gedanken über die Universale Symphonie. Wahrlich, jeder Geist hallt auf seinen eigenen Ton wider, und nichts kann mit der Schönheit dieser Klänge verglichen werden. Wer diese Sphärenmusik gehört hat, hat das Recht mit den Worten der Lehre zu sagen: „Der frühere Gesang wird zum Lärm des Rades werden!»

Natürlich ist es wahr, daß der uranfängliche Aspekt der Offenbarung das Göttliche Zittern im Busen der Großen Mutter ist. Zittern oder Schwingung ist gleichzeitig Licht denn Licht ist die Bewegung der Materie und ruft Formen hervor. „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott.... In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.» In dieser Aussage ist die ganze Tiefgründigkeit des heiligen Wissens enthalten.

Du fragst ob es möglich ist, den Hinweis in bezug auf das Erscheinen Christi in geringeren Bildern und in der Wirklichkeit zu verstehen. Gewiß, das Mittelalter machte aus Christus ein unerreichbares Idol und beraubte ihn jeder Menschlichkeit, darum auch der Göttlichkeit. Denn alle Lehren des Ostens verkünden, daß es keinen Gott (oder Götter) gibt, der nicht einmal Mensch war. Eine derartig erzwungene Trennung Christi von der menschlichen Essenz drohte eine vollständige Unterbrechung der Verbindung der Menschheit mit der Höheren Welt an und tut es auch heute noch. Man kann verfolgen, wie im Mittelalter von Zeit zu Zeit große Heilige erschienen, die versuchten, diese fast verlorene Verbindung wiederherzustellen, und sie alle bestanden gerade auf der menschlichen Existenz von Christus. Besonders überzeugende Bestätigungen hiervon sind in der Autobiographie der Heiligen Theresa zu finden, der spanischen Heiligen des sechzehnten Jahrhunderts, und noch früher in den Visionen und Schriften der Heiligen Katharina von Siena und der Heiligen Gertrude. Die Form und Qualität der Visionen und Mitteilungen, die durch solch eine enge Verbindung erhalten wurden, entsprechen stets der Bewußtseinsstufe derer, die sie sehen und empfangen, und auch den Bedürfnissen der Zeit. Wie es hieß: „Indem gerade dem Charakter der Visionen Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann die beste Geschichte des Intellekts geschrieben werden.»

Ich empfehle allen aufs dringendste, die Autobiographie der Heiligen Theresa zu lesen. Trotz der Tatsache, daß dieses Werk durch die „geistige» Zensur der Kirche ging, sind einige erstaunliche Seiten bewahrt worden. Durch das Verbreiten des Dogmas von Jesus Christus als dem eingeborenen Sohn Gottes widerspricht die Kirche dem ganzen Sinn des Gebetes, das uns von Jesus Christus gegeben wurde:

„Unser Vater, der du bist im Himmel...» Und auch den Worten der Heiligen Schrift:

„Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde...» (l. Mose, 1, 27)

Indem die Kirche also die Ausschließlichkeit der Sohnschaft und des göttlichen Ursprungs für Jesus Christus beansprucht, trennt sie ihn durch eben diesen Anspruch für immer von der Menschheit. Daraus entstand eine ganze Kette schwerwiegender Ereignisse: Die Ausschließung von Jesus Christus vom Leben der Menschheit, die Vernichtung seines menschlichen Opfers und die schreckliche Hypothese, die besagt, daß der Tod Christi am Kreuz die Menschheit von der «Erbsünde» (?!) errettete. So heißt es: „Wie ein Phantom durchstreift er die Erde, während sein Körper in der Kirche in konventioneller Gestalt eingekerkert ist. Wir müssen seinen Körper in der Welt finden, und das, was in der Kirche eingekerkert ist, muß befreit werden.» (Dmitri Mereschkowski, Jesus der Unbekannte) Du fragst auch, ob in den Tränen, die zuweilen aus innerer Verzückung beim Lesen der Lehre kommen, eine Spur von Psychismus ist. Die Verzückung, die das Herz beim Lesen der Lehre erfährt, kann nicht als ein Anzeichen von Psychismus in seinem niederen Aspekt angesehen werden. Doch man muß sich beobachten, denn man kann so stark von dem süßen Genuß eines solchen Gefühls gefesselt werden, daß man unmerklich die Kontrolle über seine Sinne verliert und dadurch der Fähigkeit zu arbeiten beraubt wird. Es hat solche Fälle gegeben, und darum weisen alle Lehren auf die Notwendigkeit für Gleichgewicht und vollständige Disziplin der Gefühle hin. Es gab eine Zeit, wo auch ich bei den Verzückungen des Geistes verweilen und die Mysterien der Weltentstehung erkennen wollte. Und dann wurde ich an die gegenwärtigen ernsten Zeiten erinnert: „Wieder hast du den hierarchischen Kampf vergessen. Niemand geht zur Schule, während die Feinde angreifen ...» So wurde ich aus meiner Verzückung zur Rückkehr auf die Erde und zu den irdischen Tätigkeiten veranlaßt Und ich wurde gelehrt, in den langweiligsten alltäglichen Arbeiten Freude zu finden, jede Aufgabe zum Altar des Liebesdienstes zu bringen. Allen Kämpfern wird das „Buch des Opfers» besonders nahestehen. Schön ist also die Verzückung des Geistes, aber wir müssen uns hüten, daß sie unsere Energie nicht schwächt, sondern stärkt. Die Zeit wird kommen, wo eine gewisse Abgeschiedenheit für die Verzückung des Geistes erlaubt sein wird, aber augenblicklich ist die Zeit bedrohlich, und alle, die im Großen Dienst stehen, sind berufen, von ihren Waffen Gebrauch zu machen - der Kampf ist beispiellos!

„Die Zeit zum Handeln hat erst begonnen. Verstehe Hingabe, Glauben und Mut. Ich werde dich beschirmen mit einem Helm des Glaubens, mit einer Rüstung der Hingabe und einem Schild des Sieges. Und auf dem Banner wird geschrieben stehen: Liebe, der Sieger.»

Augenblicklich werden alle Yogis, die versuchen Samadhi zu erlangen, von den Großen Lehrern für Deserteure gehalten.

Du fragst, wie die Worte aus dem Buch Der Ruf zu verstehen sind: „Aber die Tochter der Welt... wird die Stücke des Gewebes zusammenfügen.» Ja, es könnte so verstanden werden, wie Du es auslegst, denn es ist wahr, daß die Gewebe des physischen Körpers in der kommenden sechsten Rasse verfeinerter, weniger dicht und dem ähnlicher sein werden, was im bildlichen Sinne der verdichtete Astralkörper genannt wird. Es ist interessant, daß auch in der ältesten chinesischen Medizin auf diesen Prozeß der Verminderung der Dichte oder der Entmaterialisierung des physischen Körpers hingewiesen wird. Die sogenannte Askese spielte eine große Rolle dabei, aber wie alles Erzwungene, brachte sie nicht die gewünschten Resultate.


24. April 1936

Zunächst will ich Deinen letzten Brief beantworten, denn Du hast eine gewisse Frage berührt, die aufgeklärt werden sollte, damit sie nicht zu einem Hindernis auf Deinem Pfad wird.

Wenn meine Erklärung nicht ausreichend ist, schreibe mir, und ich werde versuchen, mehr ins einzelne zu gehen, soweit die heutigen Umstande der Post es erlauben. Aber nun wende, ich mich mit einer dringenden Bitte an Dein Herz und frage Dich: „Könntest Du es ertragen, schöne junge Seelen und sogar Deine Lieben einer großen Gefahr auszusetzen?»

Du weißt, daß die Aufgabe der Bücher der Lebendigen Ethik darin besteht, auf jede mögliche Weise das Bewußtsein zu erweitem, und darum wird bereits im ersten Buch - Der Ruf- die Grundlage zu dieser Aufgabe gelegt. In kurzen Fomelnwird in diesem Buch alles gesagt und erklärt, Ich schlage vor, daß Du es nochmals aufmerksam liest, wenigstens die Seiten 80-82.

Die Neue Welt kommt, und sie kann nur von einem neuen Bewußtsein assimiliert werden. Zerstörungen und gotteslästerliche Ableugnungen von großen Begriffen sind abscheulich, denn sie werden vom Chaos und aus Unwissenheit hervorgerufen. Aber da es keine Folgen ohne Ursachen gibt. wollen wir zurückblicken und ehrlich und ohne Vorurteil die historischen Berichte ins Gedächtnis zunickrufen und erforschen. Selbst wenn sie von irdischen Köpfen zusammengestellt wurden, wird ein erleuchtetes Bewußtsein sie vielleicht klären können.

Mit Recht bist Du entrüstet über die jesuitische Formel „Der Zweck heiligt die Mittel». Diese Formel ist besonders schrecklich, da diejenigen, sie sie annehmen, nicht zögern, die abstoßendsten Mittel zur Erreichung rein persönlicher und habgieriger Ziele zu gebrauchen. Aber alle Lehren, sogar das Christentum, rechtfertigten eine heilige Geheimhaltung, wenn sie zum Schutz heiliger Dinge für die Errettung eines Mitmenschen oder für das Allgemeinwohl gebraucht wurde. Woher kam die Esoterik aller Lehren? Jede neue Enthüllung der Wahrheit, jede neue Entdeckung der Wissenschaft, muß stets vor unwissenden Köpfen verheimlicht werden. Wir sollten an die ganzen Schrecken der Inquisition denken, an alle Kriege, die durch neue Offenbarungen verursacht wurden! Woher stammen all die äußerst komplizierten Symbole in den Werken der Propheten und der großen Arbeiter in der Wissenschaft, über die Ignoranten noch immer spotten, die aber trotzdem höchstes Erstaunen und tiefe Bewunderung bei denen hervorrufen, die ihre tiefe Bedeutung wenigstens teilweise entdecken. Unglücklicherweise für die Menschheit ist der Schlüssel zu vielen verloren gegangen, und nur die außergewöhnlichsten Geister finden diesen Schlüssel und können ihn wenigstens ein oder zweimal umdrehen. Ich glaube, daß heute niemand auf Erden diesen Schlüssel alle sieben Male umdrehen kann. Das ganze Mysterium wird in der Feste des Wissens bewahrt.

Wenn das Akasha der Alchimisten im Mittelalter durch das Bild der Himmlischen Jungfrau personifiziert wurde, und Jehova und andere heilige Namen und Definitionen die Geheimnisse der Struktur des menschlichen Gehirns und Organismus verbargen, brauchen moderne Zeiten andere Bilder und Verschleierungen. Das Leben ist kompliziert, und nur wer seine ganze Verwicklung begreift, kann das Wissen erhalten.

Jeder evolutionäre Gedanke, der die Richtung einer kommenden Epoche andeutet, begegnete stets einem schrecklichen Widerstand, und tut es auch heute noch, von Menschen, deren Bewußtsein verdunkelt und unbeweglich ist; daraus entstehen all die Schrecken abscheulicher Exzesse.

Wenn daher etwas gegeben wird, das auf das Allgemeinwohl hinweist, muß man die ganze Weite eines erleuchteten Bewußtseins offenbaren. Denker sind stets verfolgt worden, aber ein jeder solcher Denker ist ein Brennpunkt, in dem die Gedanken, die den Weltraum erfüllen, gesammelt und in einem zeitgenössischen Gewand reflektiert werden. Denker sind die Seher der Zukunft. Aus den Büchern der Lebendigen Ethik weißt Du, wie entsetzlich ein statisches Bewußtsein ist. Es verursacht wahrlich Entartung und, wie es heißt, können die schrecklichsten Katastrophen und Erdbeben nicht mit der Katastrophe eines entarteten Bewußtseins verglichen werden.

Denke darum an alle Ursachen, die die Folgen herbeigeführt haben, die jetzt die ganze Welt erzittern lassen. Versuche jede Erscheinung von allen Seiten zu erforschen und hüte Dich besonders vor einem einseitigen, voreingenommenen Urteil, sowohl über Persönlichkeiten als auch über jedes einzelne Ereignis im Leben.

Der Silberlotus ist im Herzen zu finden und manchmal kann man ihn in seinem Innern sehen. Vergiß nicht, daß wir alle Feuer und Kreise der Zentren an der Stelle sehen, wo dieses oder jenes Zentrum in Flammen steht. Manchmal kann man feurige Kreise, Reifen oder Räder oder Sonnen sehen, und zuweilen eine Flamme, aber all dies meistens in unserem Inneren.

Der Silberlotus kann sogar noch größer sein als eine Blume, und die Feuerzungen bilden sozusagen die Blütenblätter.

Laß das Herz sprechen, und möge es nicht wagen, gegen das Reinste und unerreichbar Hohe zu lästern! Der wahre Jünger vertraut der Führenden Hand und alte Ammemärchen können ihn nicht verwirren, denn er weiß.


29. Mai 1936

Ich sende Dir mein ganzes Vertrauen, daß Du das geistige Erbe von F.D. annehmen und sein Symbol verkörpern wirst, nämlich das des Führers des Herzens. Laß alle, die Licht suchen und von Kummer übermannt sind, in Deinem Herzen Widerhall finden, und laß alle, die sich unter Deiner Führung versammelt haben, jene aufrichtige Sympathie fühlen, die den Menschen trotz strenger Kritik erwärmt. Die schwerste Kunst ist wirklich, rechte Beziehungen zwischen Menschen herzustellen. Keine einzige Kunst erfordert so viel Geduld, Toleranz und verfeinerte Sensibilität. Man sollte lernen, in das Bewußtsein und das Herz und die Stimmungen all derer einzudringen, die uns umgeben und die zu uns kommen. Man muß den grundsätzlichen Unterton finden, auf dem man mit ihnen vereinigt sein und sie mit anderen vereinigen kann.

Wenn jedoch der große Magnet der Liebe im Herzen liegt, wird alles leichter gemacht, da die Aufrichtigkeit dieses Gefühls die hartesten Herzen erobern kann. Dem Herzen, das Schönheit berührt hat, muß diese Sprache des Herzens vertraut sein, darum habe ich Vertrauen zu Dir - einem Führer des Herzens.

Bitte drücke den engsten Mitarbeitern meine herzlichste Dankbarkeit aus, daß sie sich bereit erklärt haben, voll und ganz mit Dir zu arbeiten und Dir bei allen Aufgaben der Gesellschaft zu helfen. Jedes Mitglied der Gesellschaft sollte fühlen, daß sein wahres Heim und seine geistige Wohnstätte innerhalb der Gesellschaft ist Jeder sollte nicht nur ein willkommener Mitarbeiter, sondern auch ein Mitglied einer geistigen Familie sein, und jeder sollte persönlich lernen, sein Bestmögliches für das Wohl aller zu geben. Darum soll Liebe, der Einiger, der Wahlspruch für den neuen Zyklus der Gesellschaft sein.


14. Mai 1936

Du hast ganz recht, wenn Du sagst, daß persönliche Lasten leichter zu tragen sind, wenn wir einer großen Aufgabe gegenüberstehen und für andere verantwortlich sind. Dessen ungeachtet bin ich über Deinen Mut tief gerührt.

Wir freuen uns außerordentlich über die Entwicklung der Tätigkeit der Gesellschaft zu hören. Angesichts der entsetzlichen Zerrüttung, die jetzt in der ganzen Welt vor sich geht. ist jede vereinte Bemühung, die auf der Förderung der Grundlagen der Lebendigen Ethik begründet ist, wirklich ein Licht in der Wüste. Es ist schrecklich, alle Angriffe der Dunkelheit wahrzunehmen, die auf Korruption und Zerrüttung des Bewußtseins gerichtet sind.

Ich billige Deine ausgezeichnete Entscheidung, eine philosophische Abteilung zu gründen. Für den Kampf mit den dunklen Kräften ist es wirklich notwendig, vollständig gerüstet zu sein, und vermehrtes Wissen ist tatsächlich ein äußerst mächtiger Schild und eine wirksame Waffe. In diesem Zusammenhang beantworte ich Deine Frage, ob die Vielseitigkeit von Leonardo da Vinci als ein würdiges Beispiel zur Nachahmung angesehen werden könnte. Ja, sicher, vorausgesetzt, daß ein wirkliches Studium vorgenommen wird und keine oberflächliche Zerstreuung. Es ist eine Tatsache, daß ein fortgeschrittener Jünger gewisse Fähigkeiten besitzt. Sogar in den buddhistischen Heiligen Schriften heißt es, daß jeder Bodhisattva drei Künste oder Wissensgebiete beherrschen und in einem vollkommen sein sollte. Je mehr wir wissen, desto besser können wir das ganze Ausmaß und die Dimensionen des großen Evolutionsprozesses und der ganzen Vielfalt der Struktur des Lebens erkennen. Außerdem bringt uns jedes systematische Studium die Disziplin des Verstandes, die für unabhängiges Denken erforderlich ist. Nur wer unabhängig denken kann, kann ein aktiver Diener und Mitarbeiter der Kräfte des Lichts werden. Darum ist eine vielseitige Ausbildung so wichtig.

Sicher ist es nicht möglich, auf allen Gebieten der Wissenschaft und der Kunst ein Spezialist zu sein, aber es ist notwendig, wenigstens ein gewisses Verständnis dafür zu besitzen. Bei unserem Verlangen, uns so viel wie möglich zu eigen zu machen, müssen wir auch lernen, mit unseren Kräften zu haushalten, um vor allem das fortsetzen zu können, was wir bereits begonnen haben, denn mir auf diese Weise können die wichtigsten Qualitäten der Jüngerschaft, wie Beständigkeit und Geduld, entwickelt werden.

Du erwähnst, daß ein Mitglied der Gesellschaft fragt, ob die heutigen Weltereignisse zum Allgemeinwohl führen werden. Ich muß sagen, daß ich fest davon überzeugt bin, daß alles, was auch geschehen mag, zum Guten führen wird. Lektionen müssen gelernt werden, damit das Bewußtsein weiter vorwärts gehen kann. Alles wird von den Menschen selbst hervorgerufen und grausame nationale Katastrophen sind die Folge von Ursachen und Wirkungen vieler Jahrhunderte. In der ganzen Welt findet ein großes Sieben statt, und ein neues Gleichgewicht wird in der Welt hergestellt. Daher können wir sagen, daß alles zum besten führt. Du fragst, wie die folgende Erklärung in Blätter aus Moryas Garten verstehen ist: „Das Karma wird den Menschen erreichen, aber seine Qualität kann durch ein freiwilliges Opfer, das unbekannten Menschen gebracht wird, geändert werden.» Stelle Dir vor, daß jemand seinem Lieben Leid zugefügt hat und sein Verhalten bereute, nachdem sein Lieber bereits in die andere Welt hinübergegangen war. Obgleich er nicht demjenigen gegenüber, dem er Unrecht antat, sühnen und seine Schuld wiedergutmachen kann, kann er dennoch sein Karma durchein freiwilliges Opfer für andere Menschen verbessern, wie es heißt: „Für Unbekannte». Allerdings wird ihn irgendwann das Karma erreichen und ihn Aug in Auge mit seinem Opfer bringen, aber die Befreiung wird von höherer Qualität sein, weil sein ganzes Wesen durch das freiwillige Opfer emporgehoben worden ist.

Und nun über Minze. Alle Arten von Minze können sowohl äußerlich als auch innerlich verwendet werden. In Indien, wo es viele Dannkrankheiten gibt, wird Minzextrakt viel gebraucht. In Verbindung mit Magnesium ist es eines der besten Heilmittel. Es hilft auch bei der Entzündung der Zentren. Während der Sommermonate bin ich nie ohne Menthol und reibe mir damit reichlich das Gesicht und den Hinterkopf ein, da ich keine Hitze vertragen kann, selbst nicht in den Bergen. Pfefferminztee ist bestimmt ein gutes Desinfektionsmittel und bei bestimmten Asthmaarten ist es sehr hilfreich, den Dampf von Minze zu inhalieren. Die Wesen der niederen Schichten mögen den Geruch der Minze nicht, darum ist es nützlich, sie als Pflanze im Haus zu haben.

„Der Herr des Erbarmens» ist ein Titel des kommenden Maitreya, aber er könnte ebensogut auf alle großen Söhne des Lichts angewandt werden. Jedem steht es frei das Vorbild zu wählen, das ihm näher steht Der Begriff der Einheit von allem, was existiert, ist das Wissen des Arhats. Aber die Menschen, die durch die Illusion der Individualität und Isolierung verblendet sind, können sich die ganze Schönheit dieser Wahrheit nicht zu eigen machen, und daher werden alle höheren Begriffe in ihrem Bewußtsein wie in einem unruhigen, schlammigen Gewässer reflektiert und verlieren ihre ganze Klarheit, Durchsichtigkeit und Schönheit. Gupta Vidya bedeutet Geheimes Wissen. Gupta - Geheimnis, Vidya - Wissen. Die Alberiche sind die Diener der Dunkelheit. Im „Ring des Nibelungen» wird die dunkle Kraft durch Alberich, dem Gegner der strahlenden Götter von Walhalla, personifiziert Er riß das Rheingold an sich und war ein Mitschuldiger an der Ermordung Siegfrieds.

Eine weitere Frage, die Du stellst, ist wie der folgende Satz verstanden werden sollte: Ich werde die Macht Meiner Lehren den Beschränkten gegenüber verfechten.» Unter „Beschränkten» sind die Ableugner und Unwissenden zu verstehen, denn Beschränktheit ist die Folge von Unwissenheit. Die Macht des Lichtes wird die Dunkelheit überwinden, und die Macht der Lehre wird die Unwissenheit durchdringen.

Intuition, direktes Wissen und die Ansammlungen im Kelch sind tatsächlich ein und derselbe Begriff. Es gibt jedoch Fälle, wo Hiero-Inspiration für Intuition gehalten wird, aber auch dies wird kein Irrtum sein, denn ohne Ansammlungen des Kelches ist es unmöglich, den Strahl der Hiero-Inspiration zu empfangen.

Du fragst: „Woher kommen alle Verräter?» Dies ist nur ein Zeichen der bedeutungsvollen Periode, durch die unser Planet augenblicklich hindurchgeht. Wir wissen jedoch, daß Licht siegt.

„Sieg wird innerhalb einer gewissen Zeit offenbar werden, aber alle Phasen des Kampfes sollten angenommen werden. Wir sollten nicht vergessen, daß sich die besten Kräfte auf Unserer Seite sammeln werden. So wird es möglich sein, den nächsten Schritt anzugehen. Die Diener der Dunkelheit werden selbst zum Erfolg beitragen. Man muß verstehen, wie nahe die Daten sind, um die Möglichkeiten nicht hinauszuschieben. Gegen die Kräfte des Lichtes ist kein Widerstand möglich. Wenn die Kräfte der Dunkelheit die widerliche Arbeit auf sich nehmen - so laßt sie sie verrichten. Die größten Namen und Begriffe sind bereits hineingezogen worden. Alles kann nur durch Erweiterung vor sich gehen. ... Gewiß, der Kampf ist fürchterlich ... Jeden Tag werden die Neuen Kräfte, die Unsichtbaren, heraufbeschworen. Durch solche Annäherungen zu den irdischen Sphären können die unerwartetsten Spannungen stattfinden. Laßt uns den Kampf mit der vereinten Kraft all Unserer Teilnehmer annehmen. Einigkeit wird das unbesiegbare Banner sein. Satan wird besiegt werden, und seine Krieger werden wie gewöhnlich das Schlachtfeld im Stich lassen. Wer wird die Spannung der Lichtkräfte verstehen? Wer wird das Ausmaß des Schlachtfeldes nicht berücksichtigen? Die vereinten Ashrams, die Bollwerke des Geistes, sind jetzt mehr erforderlich denn je zuvor. ... Die Lehre drang nie ohne Kampf in die Welt ein. Darum laßt sie wie gewöhnlich eintreten, sonst werden die Menschen sie vergessen. Aber stelle Dir die Dimensionen des Kampfes vor, an dem alle Planeten beteiligt sind. ... Laßt uns also mit der ganzen Kraft des Geistes und mit allem feierlichen Ernst am Kampf des Lichtes gegen die Dunkelheit teilnehmen.»

Für den Aufstieg zu einer neuen Stufe muß man den Kampf annehmen und alle Hindernisse überwinden. Das Leeren des Giftbechers ist auf den letzten Stufen unvermeidlich, und Verrat muß das Licht auf dem irdischen Pfad wie ein Schatten begleiten. Laßt uns also auch diese Einweihung annehmen. Aber wir sollten verstehen, daß die Verräter nicht nur gegen uns kämpfen, sondern gegen den ganzen Großen Plan des Lichtes.

Laßt uns alle unsere Kräfte sammeln und vereint einen neuen Schritt beginnen.


24. Mai 1936

Du sagst, Du hast nur einen Wunsch, „den Lehrer zu erreichen, und wenn das nicht möglich ist, dann seinen Jünger». Ich muß sagen, daß ich noch nie jemanden getroffen habe, der, nachdem er etwas über die große Weiße Bruderschaft ghört hat, nicht die Suche nach ihr unternommen hat. Aber selten, fast nie, fragt man sich, ob man geistig und physisch fähig ist, diese Spannung zu ertragen. Kann die physische Hülle die entsetzliche Spannung der Atmosphäre aushallen, die diese Feste umgibt? Nur derjenige kann sich nähern, der hier auf Erden inmitten des Kampfes und durch die Überwindung aller möglichen Schwierigkeiten alle Gewohnheiten und Anhänglichkeiten überwunden und in selbstaufopferrnder Errungenschaft seine Energien feurig umgewandelt hat. Ohne durch das irdische Fegefeuer hindurchzugehen, ist es unmöglich, das Paradies zu betreten. Die Feuer der Höheren Energien würden die überladene Aura verbrennen. Darum erreichen nur ein oder zwei Menschen in einem Jahrhundert diese Feste. Du weißt auch, daß die Großen Lehrer niemals in das Karma eines Menschen eingreifen, und darum machen sie keine Ausnahmen. Das Karma kann einen Menschen in Ihre Gemeinschaft bringen, und wenn ein solches Karma besteht, kann niemand und nichts seine Erfüllung verhindern, mit Ausnahme des Menschen selbst. Darum wende Deine Bestrebungen und alle Bündnisse der Lehre so gut Du kannst im Leben an und überlasse das übrige dem Karma und dem großen Wissen der Herren.

Wir müssen ebenfalls nur im Leben, inmitten der Mühen des Alltags, lernen. Die Gemeinschaft der Bruderschaft ist zu weit von irdischen Bedingungen entfernt und kann somit nicht den nötigen Prüfstein für den Geist beschaffen. Die Lehre ist uns gegeben worden, jeder Aspekt derselben ist von allen Gesichtspunkten aus analysiert, und darum können wir nicht sagen, daß wir keine Lehre haben. Außerdem haben wir die älteren Jünger, die stets bereit sind, das zu erklären, was nicht verständlich scheint. Die Anwendung aller Bündnisse im Leben wird sich tatsächlich als die Arbeit erweisen, von der Du träumst, die Deinen Pfad zur Gemeinschaft des Lichtes beschleunigen wird.

Aber glaubst Du wirklich, daß Du, wenn Du in den Ashram der Weißen Bruderschaft gelangen könntest, die Fähigkeit erlangen würdest, die Menschen zu überzeugen? Alle historischen Beispiele beweisen das Gegenteil. Die vollständige Assimilierung der Lehre ist nur dem Geist möglich, der sich jahrundertelang darauf vorbereitet hat. Dies erklärt, warum die großen Lehrer der Menschheit so wenige Jünger haben. Aus demselben Grund rät die Lehre der Lebendigen Ethik, niemanden anzulocken, niemandem etwas aufzuzwingen. Der Ozean der Weisheit ist der Menschheit gegeben worden, und die Lehre sendet - ebenso wie die Sonne - ihre Strahlen überall hin, zu den Weisen und zu den Dummen, zu den Guten und zu den Bösen. Jeder kann das aufnehmen und verstehen, was ihm erreichbar ist, bis an die Grenzen seiner Entwicklung. Natürlich gibt der Unterschied in den Bewußtseinszuständen und im Verständnis Anlaß zu jenen Widersprüchen, die unentwickelte Geister in allen Lehren zu sehen behaupten. Das ist jedoch unvermeidlich.

Nun zu Deinen Fragen. Gewiß, alle Errungenschaften werden potentiell in unserem Innern aufgespeichert. In allen Lehren wurde - und wird auch heute noch - hinreichend betont, daß der Mensch der Mikrokosmos des Makrokosmos ist, und zweifellos ist das mächtigste Mittel zur Errungenschaft Liebe für das Göttliche Prinzip und für die Hierarchie des Lichts.

Was Pranayama anbelangt, so überschätzt Du seine Bedeutung. Richtiges Atmen ist stets nützlich, aber jene Übungen, die verantwortungslose sogenannte Yogis befürworten, sind äußerst gefährlich. Ich dachte, ich hätte bereits genug darüber geschrieben, aber anscheinend ist es nötig, wieder zu dieser Frage zurückzukehren. Darum will ich Dich nochmals daran erinnern, daß nur derjenige, der sein Herz und seinen Mentalkörper vollständig von allem irdischen Schmutz gereinigt hat, in das Allerheiligste des Yoga eintreten kann. Ohne diese Reinigung wird kein Pranayama einem helfen, auch nur die ersten Pforten wahren Wissens zu erreichen. Pranayama kann mediale Fähigkeiten entwickeln, die die Pforten schließen würden. Lange Übungen in Pranayama oder in Hatha Yoga machen das Studium des Raja Yoga unmöglich. Alle psychischen Fähigkeiten, die durch Pranayama entwickelt werden, alle Mittel der künstlichen Anregung des physischen und astralen Körpers, sind auf eine psychische Ebene beschrankt, und keineswegs auf eine hohe, dies wird durch die Qualität der Visionen von psychisch veranlagten Menschen und Medien bewiesen. Es ist wichtig zu erkennen, daß Psychismus nicht Geistigkeit ist. Genau wie es in der Lehre heißt: „Psychismus ist die Antithese von Geistigkeit.» Er hindert nur die Möglichkeit, sich den Großen Lehrern zu nähern. Darum beginnt und endet die Lehre mit dem Bereich des Geistes und verurteilt alle Übungen zur Entwicklung des niederen Psychismus so streng. Zweifellos ist der Pfad der Geistigkeit, der königliche Pfad, viel schwerer und langsamer, aber er ist der einzige, der alle Errungenschaften im Kelch ablagert. Jene, die diesen Pfad verfolgen, haben ihre psychischen Fähigkeiten auf natürliche Art und Weise entwickelt und sie werden auf allen sieben Ebenen entwickelt, von der höchsten bis zur untersien, und durch das Verschmelzen derselben zu einem Ganzen erhält dieser Pfad die große Synthese aufrecht. Kein wahrer Lehrer wird einem Jünger helfen, durch mechanische Übungen in die Astralwelt einzutreten. Man sollte sich keine Illusionen darüber machen, denn sonst könnte es leicht geschehen, mit einem Wesen aus diesen Sphären in Kontakt zu kommen, das einen Lehrer personifiziert! So viele Warnungen sind von von H.P. Blavatsky darüber geschrieben worden! Gerade diese Tatsache schuf ihr viele Feinde unter den Medien und psychisch veranlagten Menschen, aber sie erfüllte ihren angeordneten Auftrag und wies auf den Schaden des Spiritismus hin, der hauptsächlich die Folge der unwissenden Einstellung aller Gesellschaftsklassen dazu war. Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, mit welcher Feindseligkeit alle derartigen Hinweise und Warnungen aufgenommen werden.

Gewiß, die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und schöpferisch zu denken ist nicht nur nützlich, sondern auch notwendig - vorausgesetzt, daß die Gedanken rein sind. Ohne die Fähigkeit zu denken, ist es unmöglich, Fortschritte im Wissen zu machen. Ebenso ist die Entwicklung von Willenskraft, angefangen bei kleinen alltäglichen Dingen und endend mit großer selbstaufopfernder Tätigkeit, die Grundlage jeder Disziplin und Errungenschaft.

Reines Denken, wobei der Wille auf das Gute und auf Selbstreinigung gerichtet ist, wird bestimmt ausgezeichnete Ausstrahlungen zur Folge haben.

Wenn Du Liebe und Willenskraft hast, dann besitzt Du bereits Streben und bist daher imstande, ein Gebet in die Tat umzusetzen.

Du hast völlig recht, wenn Du glaubst, daß Übungen in Pranayama in Großstädten gefährlich sein können. Aber da Pranayama uns schon keine Geistigkeit geben kann, sollten wir uns nicht damit befassen. Das wichtigste ist, sich in der Reinheit der Motive, Gedanken und Taten zu üben, und dies tun wir nur inmitten von Menschen und Hindernissen, also hat sogar die Großstadt zuweilen ihren Nutzen.

Du scheinst Dich über die Angriffe auf die Bücher der Lebendigen Ethik zu beunruhigen, aber auch dies ist unvermeidlich. Keine Lehre ist je ohne Gegenangriffe ins Leben getreten. In ähnlicher Weise muß die Neue Lehre eintreten, begleitet von Geschrei und Angriffen von im Sterben liegenden Bewußtseinen. Das ist das irdische Gesetz. Die Menschheit beachtet und behält nur das im Gedächtnis, was Verbannung oder Märtyrertum erfährt. Ich habe in meinen Briefen oft die Feststellung von Vivekananda erwähnt, und werde sie nochmals wiederholen, daß der Grund dafür, daß die Menschheit sich so gut an Christus und Buddha erinnert, darin besteht, daß sie das Glück hatten, mächtige Feinde zu haben.

Laß also die Neue Lehre in die Welt kommen und ebenfalls auf übliche Art und Weise durch Verfolgung bestätigen. Immer wieder muß man daran erinnert werden, daß sich die Lehre auf Unerforschliche Weise verbreitet. Aus diesem Grund habe ich Dir stets geraten, keine Anhänger anzuwerben. Ich habe auch vorgeschlagen, daß Du kulturell-pädagogische Versammlungen organisieren solltest, und erst nachdem Du die Menschen kennengelernt hast, ihrem Bewußtsein ein paar neue Samen eingehen. Es ist immer ratsam, unsere eigene Schatzkammer mit Wissen zu erweitern. Ein gut disziplinierter, erleuchteter Verstand wird die Lehre des Lichtes in ihrem ganzen mannigfaltigen Anwendungsbereich leichter assimilieren. Ein Mangel an Wissen ist ein Hindernis auf dem Evolutionspfad. Hölle ist Unwissenheit» - sagte einer der großen Geister der frühen Ära des Christentums.

Es gibt wahrlich nichts Gotteslästerlicheres für das menschliche Bewußtsein, als die Unaussprechliche Großartigkeit des Göttlichen Prinzips zu begrenzen, das über das ganze Universum ausgegossen wird. Ganz bestimmt gehen aus dieser fürchterlichen, unwissenden Geringschätzung alle unwürdigen Vorstellungen von Gott hervor. Der Mensch versucht in seiner Eingebildetheit, alles auf seine eigene Stufe und zu seinem eigenen Ebenbild herabzuziehen. Genug ist darüber in den Büchern der Lehre gesagt worden. Die Bücher der Lehre sind tatsächlich voll von Begriffen des Göttlichen Prinzips oder von Gott und von Geist und von Geistigkeit. Die Zeile, die Du angeführt hast: „Der Geist Christi atmet über der Wüste des Lebens», drückt genau denselben erhabenen Pantheismus aus, zu dem der menschliche Geist sich nicht erheben kann.

Der Gott in uns ist die einzige Wirklichkeit, alles andere ist, wie es vom Osten so schön und poetisch ausgedrückt wird, nur „das Spiel der Großen Mutter der Welt».

Ja, Du hast ganz recht, wenn Du sagst, daß in keinem einzigen Buch der Lebendigen Ethik die große Grundlage des Seins beeinträchtigt worden ist. Ebenfalls gibt es keine Herabsetzung des Begriffes von Christus (Chrestos) oder Jesus, der das brachte und für das litt, was der Welt seit langem bekannt gewesen war, was jedoch immer wieder von den Menschen vergessen wurde. So war es und so ist es, wir wollen hoffen, daß es nicht immer so sein wird.

Und was die Stempel betrifft, die die Unwissenden allem aufdrücken, was über ihr Verständnis hinausgeht - wer unter den ernsthaft gesinnten Menschen schenkt ihnen irgendwelche Aufmerksamkeit? Dasselbe kann über die Angriffe gesagt werden, die man gegen uns außen. Wir sind an sie gewöhnt und kennen ihren Wert. In Wahrheit sind alle diese Angriffe nützlich gewesen. In der Lehre heißt es: „...ohne Verleumdung würde die dankbare Menschheit die lebenswichtigsten Offenbarungen begraben haben.» Außerdem bitte ich Dich immer wieder, die Abtrünnigen nicht zu bedauern - es sind unentwickelte Seelen. Überlasse sie ihrem eigenen Pfad. Man kann nicht zwei Herren dienen. Sie sollten ehrlich wählen und Verrat vermeiden, denn „das Schicksal, sogar der kleinen Verräter, ist schrecklich».

Es ist ausgezeichnet, daß Du an Selbstvervollkommnung arbeitest. Wie sonst kann man ein Apostel der Lebendigen Ethik werden, wenn man den Nutzen und die Wohltätigkeit der Lehre nicht durch persönliches Beispiel beweist? Wer kann zur Lehre angezogen werden, wenn die Anhänger sie nicht im Leben anwenden?

Sorge Dich auch nicht über Verleumdung. Verleumdung ist nur dann schmerzlich, wenn sie von Menschen kommt, die man hoch achtet. Lob von unwürdigen Menschen kann nur demütigen und beleidigen.

Du stellst eine Reihe von Fragen. Ich werde sie in Deiner Reihenfolge beantworten, sie aber nicht wiederholen, da ich vennute, daß Du eine Kopie hast.

1. Die Subtile Welt entspricht der Astralwelt, von den niedrigsten bis zu den höchsten Schichten.

2. Die Feurige Welt ist die Welt des Geistes. Der höchste Grad der Feurigen Welt wird oft die Höchste Welt genannt.

3. Alle psychischen Zentren entsprechen den physischen Zentren. Jedes Organ hat sein eigenes Nervenzentrum; einige zweifache Organe wie Nieren und Lunge haben auch doppelte Zweige.

4. Es ist theoretisch richtig, aber das Leben offenbart viele Abweichungen. Viele Frauen sind fast Männer, und Männer beinahe Frauen, sowohl geistig als auch physisch. Oft haben Frauen einen männlichen Magnetismus und umgekehrt.

5. Das Mysterium des „Buches des Lebens» der Höchsten Geister wird heilig bewahrt.

In der wahren Kosmogonie gibt es tatsächlich keine Engel und Erzengel, die nicht einst Menschen waren. Dies wird im ganzen Osten voll bestätigt. «Es gibt keinen Gott oder Götter, die nicht einmal Mensch waren.» Wenn Du Die Geheimlehre gelesen hast, wirst Du Dich erinnern, daß die Großen Geister, die im Osten verschiedentlich als die Söhne des Lichtes, die Söhne der Vernunft, die Söhne des Feuers, die Kumaras etc. bekannt sind, unseren christlichen Erzengeln entsprechen. Natürlich sind diese Engel nicht mit Bügeln geschmückt, die ihnen durch die unvollkommene Vision oder durch poetische Einbildung von gewissen Hellsehern verliehen worden sind, die bestrebt waren, dieses Symbol eines Boten einzuprägen. Dieses Symbol ist nicht übel, und es ist wahr, daß die Strahlen, die von den Schulterzentren ausströmen, gewissermaßen den Eindruck schimmernder Flügel erwecken könnten. Aber wenn sogar wir, die Erdenbewohner, uns im subtilen Körper ohne diese vogelartigen Attribute durch den Weltraum bewegen können, brauchen die Höchsten Geister sie dann? Ach. noch eine Enttäuschung - die Engel haben keine Flügel! Wirklich, die Strahlen sind viel schöner als diese ornithologischen Anhängsel!

Und so waren die Schutzengel oder die große Bruderschaft, diese Herrscher unseres Planeten, Hohe Geister auf anderen Planeten und Menschengötter auf Erden. Sie sind tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes die Beschützer, Hüter und Erretter unseres Planeten.

Ich freue mich von ganzem Herzen über Deine Hingabe zur Lehre der Lebendigen Ethik, denn nur durch sie können wir das öffnen der Pforten erreichen. Es bereitet mir auch Freude zu hören, was Du über unsere Mitarbeiter sagst. Sie sollten ihren Geist durch tägliche Errungenschaften stählen. Jede Arbeit, auch die eintönigste und langweiligste, sollte in ihrer Qualität verbessert werden. Der Pfad der Jüngerschaft ist voller Dornen und Mühen, hauptsächlich infolge unserer alten Gewohnheiten und Neigungen. Daher werden nur die Standhaften und Furchtlosen, jene, die ihren Egoismus im Feuer der Selbstverleugnung verbrannt haben, die vorherbestimmten Pforten erreichen.

Das Jahr geht vorüber, ein äußerst schwieriges Jahr, das vor langer Zeit als das Jahr des Anfangs vom Kampf zwischen dem Erzengel Michael und dem Drachen angedeutet wurde. Das drohende Armageddon findet auf beiden Ebenen statt, auf der sichtbaren und auf der unsichtbaren. Die Kräfte der Dunkelheit greifen alle Unternehmen des Lichtes wütend an, aber wir nehmen diesen Kampf feierlich an, weil wir wissen, für wen und wofür wir kämpfen. Viele Krankheiten stehen im Zusammenhang mit der unerhörten Spannung auf beiden Ebenen.

Was Du über Menschen schreibst, ist eine alte Wahrheit! In der Not erinnert man sich an uns, im Wohlstand werden wir vergessen. Auch was Du über Besessenheit schreibst, ist sehr charakteristisch für unsere Zeit, aberbitte, sei vorsichtig, denn es gibt gewisse Grade der Besessenheit, die äußerst ansteckend sind. Alle Fälle von Besessenheit können durch die Macht der psychischen Energie im Kontakt mit der Höheren Macht geheilt werden. Hilfsmittel wie leise Musik, wunderbare Düfte, Reinheit der Atmosphäre und die Farbe des Zimmers - die alle mit dem Geschmack des Patienten harmonieren sollten - können sicherlich sehr hilfreich sein. Es ist gut, während der Nacht ein Gefäß mit heißem Wasser neben dem Bett zu haben, das ein paar Tropfen Eukalyptusöl enthält. Auch während des Tages ist dies nützlich. Doch ein schwerer Fall von Besessenheit kann durch kein Hilfsmittel geheilt werden, nur durch die Wirkung der reinen und mächtigen psychischen Energie.

Du hast recht, was den Ruf anbelangt, Er enthält in konzentrierten Formeln die Ideen, die in den späteren Büchern der Lehre mehr im einzelnen und von verschiedenen Gesichtspunkten aus analysiert werden. Aber es ist vergebens und nicht richtig, die Mahatmabriefe zu verurteilen und abzulehnen. A.P. Sinnett schrieb seinen Esoterischen Buddhismus auf den Grundlagen dieser Briefe. Ihr Inhalt, doch umfassender behandelt, wurde auch in der Geheimlehre verwendet. Dieser Band von Briefen ist eins der größten Bücher und wird im Westen durchaus geschätzt. Es zurückzuweisen, bedeutet sowohl die ganze Lehre abzuleugnen, die durch H P. Blavatsky gegeben wurde, als auch die Bücher der Lebendigen Ethik. Leider wurden in dem Band, den Du erwähnst, nur ein paar Briefe oder vielmehr unvollständige Auszüge daraus verwendet. Aber trotzdem werden sie, wie Du sehen kannst, selbst in dieser Form von gewissen Bewußtseinen nur mit Mühe verkraftet.

Du hast recht, wenn Du sagst, daß Jesus Christus eine außergewöhnliche Erscheinung in der Weltgeschichte war, aber man kann ebenso sagen, daß alie Kumaras oder Menschengötter nicht weniger ungewöhnlich waren. Nur ein eingebildeter Ignorant wird versuchen, den betreffenden Rang dieser Höchsten Geister zu ermessen. Eine ausgezeichnete Formel ist uns in der Lehre gegeben worden; „Die Leute werden fragen: Wer ist größer, Christus oder Buddha? Antwortet: Es ist unmöglich, die fernen Welten zu ermessen. Wir können nur entzückt über ihren Glanz sein.»

Du schreibst, wie traurig alle Kontroversen und Streitigkeiten über erhabene Begriffe sind. Dies stimmt vollkommen, aber besonders betrüblich sind die Ignoranten Polemiken, die nichts als Gereiztheit hervorrufen. Es ist unmöglich, anderen das zu erklären, was man selbst nicht klar erkennt, nichts als schädliche Verwirrung wird die Folge sein. Der Gedankenaustausch zwischen hochgebildeten Menschen ist äußerst schöpferisch, weil beim Austausch von Ideen und entgegengesetzten Ansichten Funken der Wahrheit sprühen. Genau, Gedankenaustausch tut not, nicht unwissendes Argumentieren.

Es ist auch wahr, daß unvollständige Erklärungen in Büchern für den oberflächlichen Leser oft einen Eindruck von Widerspruch erwecken. Sogar die Großen Lehrer sind solcher Widersprüche beschuldigt worden. Aber die Ankläger vergessen den wichtigsten Faktor, nämlich ihre eigene Unwissenheit. Wer überall einen Aufruf zum Atheismus und zur Teufelei sieht, ist wahrlich weit von Erleuchtung entfernt und keines Deiner Argumente wird ihn überzeugen. Diejenigen, die durch das Buch Die Grundlagen einer neuen Weltbetrachtung aus der Fassung gebracht wurden, muß man bemitleiden und in Ruhe lassen. Und was die Qualität anbetrifft, so haben sie sogar vergessen, daß im Jahre 1906, während der Regierung von Nikolaus II, Religions- und Redefreiheit gewährt wurden. Viele von ihnen würden wahrscheinlich gern zu den Zeiten religiöser Unduldsamkeit und sogar zum Domostroy zurückkehren. In gewissen Kreisen wird dies angedeutet. Der Verfasser der Broschüre Die Orthodoxe Welt und die Freimaurerei wurde mit einem anerkennenden Erlaß von der Synode belohnt - anscheinend, weil er die besten Söhne seines Vaterlandes verleumdete. Trotzdem überwindet Licht die Dunkelheit.

Das neue Buch Aum wird jetzt veröffentlicht. Zweifellos werden jene im gegnerischen Lager wieder ein Zetergeschrei erheben: „Warum diese heidnische Bezeichnung? Wie können sie sich erdreisten. Göttliche Wonne mit dem heidnischen Aum zu vergleichen?» etc. Darauf können wir antworten: „Unwissenheit bleibt Euch selbst überlassen», und wir werden die Zeilen aus der Lehre zitieren:

„Es ist an der Zeit, daß die Wissenschaft ungehindert durch zufällige Bezeichnungen ihren Horizont erweitert. Alle Dramen des Lebens entstehen gerade durch Benennungen. Man sollte sich von Kindheit an daran gewöhnen, die wesentliche Natur der Dinge in Erfahrung zu bringen.» (Aum, 258)

„Beim Studium der Geschichte der Glaubensbekenntnisse ist es möglich zu beobachten, wie die Menschheit wiederholt subtile Begriffe erfaßt hat, nur und sie wieder zu vergessen und später das zu verwerfen, was erkannt worden war. Man kann sehen, wie die Menschen in alten Zeiten das Gesetz der Wiederverkörperung verstanden, nur um es in einem Wutanfall wieder zurückzuweisen. Der Grund für diese kirchliche Ableugnung ist verständlich - eine Klasse schützte ihre Vorrechte, denn das Gesetz der Existenz drohte, dem Volk gleiche Rechte zu geben. Dies ereignete sich in verschiedenen Zeitaltem, doch die Wellen der Erkenntnis und der Unwissenheit sind überall gleich. Sie rufen eine Bewegung der Wasser hervor, die für den Fortschritt des Bewußtseins so notwendig ist. Darum erlangt jeder, der nach Wissen strebt, die Ruhe des Geistes in Sturm und Drang. Wir sollten nicht in Unwissenheit verweilen, wenn das Wissen an alle Pforten klopft.» (Aum, 264)

Ich möchte Dir einen Auszug aus einem Artikel über „Erbsünde» in einer englischen Zeitschrift geben. Ein Religionslehrer wurde von einem Schüler gefragt:

„Warum wird behauptet, daß Sünde und das Böse mit Adam und Eva in die Welt kamen, wenn im Paradies ein Baum war, der die Früchte von Gut und Böse trug? Woher konnten die Früchte des Bösen ins Paradies kommen? Wie konnte der Teufel im Paradies sein?» Einige heutige Schulkinder sind tatsächlich klüger und innerlicher als die der vergangenen Generation. Es ist ganz unmöglich, das Bewußtsein zurückzuhalten. Eine große Sünde wird von denen begangen, die die Erleuchtung und die Entwicklung des Denkens gewaltsam hindern. Jede Art von Zwang verstößt gegen die Gesetze des Universums und muß unfehlbar Explosionen und Zerstörung verursachen. Wenn wir zurückblicken, können wir die wesentlichen Ursachen erkennen, die den Fall der alten Welt vorbereitet haben. Die Erstickung von Gedanken und Geist erzeugten all den nachfolgenden Wahnsinn. Der lang kontrollierte Damm brach, und alles, was der Sturzflut im Wege war, wurde hinweggerissen. Nichts und niemand kann Gedanken, diese feurige Energie und die Krone des Universums, zurückhalten. Große Veränderungen haben im Bewußtsein der Massen aller Lander stattgefunden, aber einige weigern sich noch immer, diese Tatsache anzuerkennen. Der Grund für alle Katastrophen, die jetzt stattfinden, liegt in Unwissenwissenheit und unglaublicher Verantwortungslosigkeit, die geherrscht hat und noch immer herrscht und bei den sogenannten „mit Macht Ausgestatteten» beobachtet werden kann. Die Menschen bedürfen der Obhut, und diese Obhut sollte sich in erster Linie in der ERZIEHUNG der Menschen und ihrer wahren Ausbildung kundtun. Der Mensch lebt nicht von Brot allein.

Und nun, suche nicht nach Anhängern, sondern arbeite an Dir selbst, an Deiner eigenen Vervollkommnung.


25. Mai 1936

Du hast ganz recht, wenn Du sagst, daß wir infolge der Armut an Definitionen in unseren westlichen Sprachen fast unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen, wenn wir nicht nur die höheren Begriffe auszudrücken oder zu erklären versuchen, sondern auch auf ungewöhnliche Art und Weise an eine bereits bekannte Idee herantreten wollen. Das westliche Denken ist verhältnismäßig grob und schwerfällig und hat daher noch nicht alle die subtilen Nuancen für Definitionen entwickelt, an denen der Osten so reich ist. Der Hauptgrund für den Mangel an Verständnis ist, daß die Menschen des Westens nicht an eine Verfeinerung des Denkens gewöhnt oder vielmehr nicht darin geübt sind. Wie viele können mit wahrer Aufnahmefähigkeit lesen? Die meisten Menschen lesen mit den Augen, nicht mit dem Geist und dem Herzen, daher bleibt die innere Bedeutung unerreichbar.

Gewiß, das Wort Religion enthält einen Begriff von größter Bedeutung, aber die Menschheit hat diese Bedeutung jetzt verloren. Tatsächlich bezeichnet es die Verbindung mit der Höheren Welt oder dem Höheren Prinzip. Doch jeder versucht, diese große und einzige Verbindung als seinen ausschließlichen Besitz an. sich zu reißen, darum hat jede Nation sie für sich getrennt gehalten, begrenzt, und sie mit dem Stigma des Fanatismus gebrandmarkt, während sie jeden ungewöhnlichen Ausdruck von dieser Vorstellung seitens derer, denen er näher liegt, verurteilt hat. Auf diese Weise haben wir aus einer alles vereinigenden Religion viele Pseudo-ReIigionen gemacht, die einander ausschließen. Aber wenn man zu sagen versucht, daß die Hauptursache aller Mißgeschicke nicht Religion, sondern Pseudo-Religion ist, wird jeder auf seinen Nachbarn weisen, und in seiner Eingebildetheit wird er nie zugeben, daß diese bittere Wahrheit sich in gleichem Maße auf ihn selbst bezieht. Eine neue Unklarheit und eine neue Versuchung wird die Folge sein. Die Bedeutung von Worten in allen Sprachen kann nur vom Herzen und durch direktes Wissen aufgenommen oder richtig verstanden werden.

Fürchte Dich auch nicht vor Angriffen oder Verleumdung. Das alles ist nur Schlamm von stagnierenden Sümpfen. Ich habe bereits geschrieben, daß keine einzige Lehre ohne grausame Oppsotion ins Leben getreten ist. Dasselbe wird auch mit den Büchern der Lebendigen Ethik geschehen. Wie Jesus sagte (Lukas 6, 26): „Weh euch, wenn euch jedermann wohl redet! Dergleichen taten ihre Väter den falschen Propheten auch.» Es ist unmöglich, es klarer auszudrücken. Und wer von den Arbeitern für die Wahrheit möchte sich gern das Abzeichen eines Pseudo-Propheten zulegen? Jenen, die den Kelch des Ostens nicht annehmen können, sollte gesagt werden, daß die Welt weit und das Licht groß ist und daß der Kelch des Ostens in vielen Häusern eine neue Kerze und eine neue geistige Freude entzündet hat. Es wäre unverzeihlich, das Bewußtsein für einen einzigen Ort oder nur eine zufällige Gruppe von Menschen festzulegen. Die Lehre verbreitet sich auf Unerforschliche Weise. Niemand und nichts kann den Kosmischen Magneten in seiner evolutionären Bewegung zurückhalten. Alle Dämme werden zur Vernichtung führen. Ganze Kontinente und Rassen, die umgekommen sind, bezeugen dies. Die Menschheit unserer Rasse beschleunigt mit ihrer wahnsinnigen Uneinigkeit den Zyklus ihrer eigenen Absetzung. Unser Schiff eilt dem Schiffbruch entgegen, und die dunklen Anstifter freuen sich boshaft, denn sie hoffen, auf den Trümmern zu entkommen.

Ich würde die Gegner des Kelchs des Ostens nicht einmal „ziemlich intelligent» nennen, denn genau genommen ist es äußerst schwierig, gerade in solchen Gegnern Anzeichen irgendwelcher Intelligenz zu sehen. Ihre Intelligenz ist wie ein Spiegelbild in einem gekrümmten Spiegel. Solche Spitzfindigkeit verursacht Degeneration der höheren Zentren und Erkenntnis wird unmöglich. Jemand hat gesagt, daß man, wenn man die Behauptung über das Übel von Religionen buchstäblich oder ober-flachlich annehmen würde, auch die logische Schlußfolgerung des unheilvollen Ausspruchs annehmen müßte, daß Religion Opium für das Volk ist. Buchstabenglaube und Abgeschmacktheit sind Merkmale von Begrenzung, und zweifellos gelangte Begrenzung schließlich zu solch einer Formel. Aber natürlich wendet sich niemand der Begrenzung zu, um das neue Verständnis zu erlangen! Nur ein vereingenommener Verstand wird nicht zustimmen, daß jede engherzige, begrenzte und dekadente Religion tatsächlich Opium ist, das schlimmste Gift der Uneinigkeit und des Verfalls. Dasselbe kann man über Unwissenheit in der Wissenschaft und ganz allgemein über alle Unwissenheit sagen. Das neue Bewußtsein ringt, um die einzige Verbindung mit der Höheren Welt und der einen Quelle aller Lehren, Philosophien und allen Wissens herzustellen.

Gleichfalls hätten jene Klüglinge, die Du im Sinn hast, wissen sollen, daß ein gewisser Grad von Wissen jeder Epoche entspricht, und was für ein Jahrhundert wichtig oder zieltauglich war, kann das nicht völlig für die folgenden sein. Wenn es nicht so wäre, was würde aus der Evolution werden? Der Menschheit wird in jeder Phase ihrer Entwicklung nur jener Teil der Wahrheit gegeben, den die Minderheit aufnehmen kann. In jeder Epoche, in jeder Religion und Nation erschienen außer den Großen Lehrern, die ein neues Verständnis für die vergessene uralte Offenbarung brachten, nach einer gewissen Zeit Hohe Geister, um das kürzlich erhaltene Bündnis zu reinigen. Diese Geister ragen als strahlende Leuchtfeuer gegen den Hintergrund der unwissenden Vertreter von Religionen heraus. Gewöhnlich wurden diese Fackelträger zu Märtyrern, und oft kamen ihre Werke und sie selbst durch verschiedene fanatische Eiferer um. Niemand würde daran denken. Sie mit einer speziellen Religion zu verbinden, und Sie stehen isoliert von jedem Kirchendogma, was nicht überraschend ist, denn Sie prangerten fast immer unwürdige Kirchendiener an.

In ähnlicher Weise hielt St. Sergius am Geist fest und nicht am äußerlichen Kirchendogmatismus, und wer es anders versteht, ist blind und taub. Wir mögen Menschen begegnen, die darauf bestehen, daß St. Sergius ein orthodoxer Geistlicher war, weil er Kirchen und Klöster baute und strenge Regeln und Riten einführte. Aber die Bedeutung des ganzen Werkes von St. Sergius lag nicht im äußeren Dogmatismus, sondern in seinem höchst moralischen und ethischen Einfluß auf seine Zeitgenossen. Dadurch daß er strenge Regeln einführte, um das wilde Temperament jener Zeiten zu disziplinieren, half er, den Charakter der Menschen zu formen und dadurch die Macht der Nation aufzubauen. Wir wissen aus der Geschichte, in welch chaotischem Zustand der Geist der Nation war während der schweren Periode des Mongolenjochs und wegen der ausschweifenden Sitten der herrschenden Fürsten, die sich untereinander bekriegten. Strenge Schulung und Kontrolle war nötig, und sie mußten auf Vorstellungen beruhen, die dem Volk vertraut und verständlich waren. Symbole und Zeremonien waren nur für Bewußtseine erforderlich, die gerade eben aus einem kindlichen Zustand herauskamen. Und selbst heute können einige, wie wir sehen, diese Symbole noch nicht aufgeben. Gegen solche schwachen Bewußtseine muß man nachsichtig sein. Doch Christus sagte: „Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, daß die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will haben, die ihn also anbeten. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn ihm Geist und in der Wahrheit anbeten.» (Johannes 4, 23-24)

Das Troize-Sergijewa-Kloster mag verschwinden, denn sogar während seines Lebens wurde es fast zerstört, aber die Erinnerung an Sergius selbst wird niemals sterben, denn groß war der Magnet des Geistes, den er der Seele des russischen Volkes einprägte. Die Geschichte der Entwicklung der Spiritualität in der russischen Seele und der Beginn der Vereinigung und des Aufbaus von Rußland sind unauslöschlich mit dem Namen dieses Großen Geistigen Arbeiters verbunden. Gerade dies erklärt, warum alle Kräfte der Dunkelheit gegen diesen großen Namen zu den Waffen griffen. Welche Reliquien sind von all den Großen Lichtträgern, von Buddha und Christus, übriggeblieben, (eine Handvoll Asche im einen Fall und ein herkömmliches Grab im anderen), aber die Erinnerung an sie lebt und wird in den kommenden Jahrhunderten sogar noch stärker werden, wenn sie von den Ansammlungen der Unwissenheit gereinigt wird.

Wenn man die innere Bedeutung durch „irgendwelche algebraischen Zeichen» oder Ausdrücke ersetzen möchte, mögen nichts als diese übrigbleiben.

Auch wer im Kelch des Ostens die Begrenzungen des Atheismus sieht, zeigt seine völlige Unwissenheit. Jemand ist bekümmert, weil der Ältere Mahatma nicht vor sechsundfünzig Jahren jene Apotheose darbot, die er jetzt in der Feurigen Welt gibt. Aber wie kann irgendjemand wissen, was vom Älteren Mahatma gegeben oder nicht gegeben worden ist? Für den Verstand, der mit östlichen Lehren und östlichem Denken vertraut ist, ist diese Apotheose das grundlegende Prinzip. Auch alle Zitate, die Du aus dem Ruf anführst, sprechen über den gleichen erhabenen Pantheismus, der Bände der Geheimlehre und die Mahatmabriefe erfüllt. Außerdem ist die schöpferische Tätigkeit der Mahatmas so groß und mannigfaltig, daß unmöglich von ihnen zu erwarten ist, sich in allen Fällen und zu allen Zeiten an verschiedene Nationalitäten und Bewußtseine stets mit den gleichen Formeln zu wenden. Selbst ein durchschnittlicher Künstler oder Dichter ändert, wenn er verschiedene Epochen und örtlichkeiten darstellt, seinen Stil und seine Sprache angemessen. Festgelegte Gedanken, festgelegte Formeln widersprechen dem Kosmos, dessen Leben unaufhörliche Bewegung und unaufhörlicher Wechsel von Formen ist. Vielfältigkeit ist das Leben. Einförmigkeit ist der Tod.

Ich habe kein Verlangen, in leeren Hülsen von Spitzfindigkeiten der dialektischen Besserwisser herumzustöbern, das wäre eine unverzeihliche Zeitverschwendung. Ich sende Dir Mut und Furchtlosigkeit. Vor allem beunruhige Dein Bewußtsein nicht mit dem Geflüster der Klüglinge, die unserer Ansicht nach absolute Ignoranten sind.


26. Mai 1936

Bitte betrachte die Angriffe auf die Bücher der Lebendigen Ethik ruhig. Gewiß, alles Neue, das das Bewußtsein von der gewohnten Trägheit hinwegführt, wird stets von bösartigem Geschrei und Widerstand begleitet. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür in der Religionsgeschichte und ebenfalls im Bereich der Wissenschaft. Für diejenigen, die sich Christen nennen, sollte Christus selbst das lebhafteste Beispiel sein, doch gerade ihn werden sie wahrscheinlich vergessen. Wer verfolgte und kreuzigle Christus, wenn nicht die Dogmatiker und Schriflgelehrten, und sagten die Pharisäer nicht von ihm: „Er treibt die Teufel aus durch den Teufel Obersten»? (Matthäus 9, 34) Und auch: „Etliche unter ihnen sprechen: Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel. Die anderen aber versuchten ihn und begehrten ein Zeichen von ihm vom Himmel. Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Ein jeglich Reich, so es mit sich selbst uneins wird, das wird wüst, und ein Haus fällt über das andere. Ist denn der Satan auch mit sich selbst uneins, wie will sein Reich bestehen?» (Lukas 11, 15-18)

Es ist seltsam, daß diejenigen, die das größte Geschrei machen und die Bücher der Lehre angreifen, nicht nur nichts darüber wissen, sondern auch ihre eigenen Heiligen Schriften nicht kennen. Wenn jemand zufällig etwas gelesen hat, entstellt er es und erklärt es auf eine Weise, die für ihn am vorteilhaftesten ist. Wir betonen und raten stets, unreife Bewußtseine nicht anzulocken und zu zwingen - es ist zwecklos und sogar schädlich. Alles muß durch einen natürlichen Prozeß vor sich gehen. Ein bereiter Geist weiß genau, wo die Wahrheil ist, und nichts kann ihn verwirren oder in Furcht versetzen. Aber natürlich sind solche in der Minderheil. Doch in dieser Ära sind sie zahlreicher als je zuvor, denn Repressionen können die Evolution nicht aufhallen. Denke daran, wie wenige Anhänger und Jünger Christus hatte, und selbst unter den wenigen war Nikodemus und ein anderer - Judas! Sorge Dich jedoch nicht über das Werk der Erleuchtung, denn es geht auf besondere Art und Weise vonstalten. Die Zahl der suchenden Seelen vergrößert sich in der ganzen Well.

Die erste Aufgabe der Lebendigen Ethik besteht darin, das Bewußtsein zu erweitern, darum sollten wir uns nicht durch Gedanken auf einen zufälligen kleinen Ort und eine Gruppe von Menschen festlegen. Weit ist das Weltall, und das Licht ist nicht schwach. Während an einem Ort Verleumdung ausgedrückt wird, wird der neue Gedanke an einem anderen tausendfach angenommen. Irgendwo wird Verrat begangen, und anderswo kann man Beispiele von einem bemerkenswerten Feuer des Geistes und der Selbstaufopferung sehen. Man muß lernen, das Gleichgewicht des Geistes zu finden und den unvermeidlichen Offenbarungen der Dunkelheit ruhig gegenüberstehen. Du weißt schon, daß wir in einer ernsten Zeit leben, die vor langem in allen Heiligen Schriften der Welt vorausgesagt wurde, der Zeit des Kampfes der Lichtkräfle mit der Dunkelheit. Wir sollten daher nicht überrascht sein über all die List und die Angriffe des Bösen. Nach dem Kampf, der mehrere Jahre dauern wird. und nach dem Sieg des Lichtes über die Dunkelheit wird die Macht des Fürslen der Finsternis nicht ansteigen und seine Macht wird abnehmen. Aber da man nicht zwei Herren dienen kann, sollte jeder in seinem Herzen endgültig entscheiden, wem er dienen will. um kein Verräter oder einer zu werden, über den es in der Offenbarung Johannes 3. 16 heißt: „Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.»

Wenn man daher nicht stark genug ist, Furcht und Zweifel zu überwinden, ist es besser, sich nicht auf die Probe zu stellen. Wenn jemand dem dogmatischen Christentum folgt, sollte er das Beste herausholen. Die neue Epoche wird mit einer neuen Erkenntnis der Lehre Christi leuchten. Erleuchtete geistige Lehrer (und es gibt schon einige) werden zu den wahren Bündnissen Christi zurückkehren, zu den Bündnissen der ersten Kirchenväter und den Werken des großen Leuchtfeuers des Christentums. Origenes, der die Grundlage für die ganze Philosophie des Christentums legte.

Zum Schluß wiederhole ich nochmals, daß keine Angriffe uns je in Furcht versetzen können, denn wir dienen dem Großen Licht. Außerdem - worin liegt die wahre Errungenschaft? In allgemeiner Anerkennung? Niemals folgte das begeisterte Geschrei der Menge den Erweckern des neuen Bewußtseins und den Trägem neuer Entdeckungen. Wie es im Lukasevangelium 6. 26 heißt: «Weh euch, wenn euch jedermann wohlredet! Desgleichen taten ihre Väter den falschen Propheten auch.» Es wäre nützlich, solche Schulbücher wie die Märtyrer der Wissenschaft noch einmal zu lesen. Das alles ist scheinbar all. doch trotzdem ewig neu. Darum sagen wir:

«Laßt uns furchtlos sein!»

Lebe nach dem Herzen, entwickle Duldsamkeit und Großmut, und das neue Bewußtsein wird in Dir gestärkt werden.

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