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18. Juni 1935

Ich habe nichts dagegen, wenn meine Briefe mit den Anführungen aus den Büchern der Lebendigen Ethik reinen Seelen vorgelesen werden, die ein offenes Bewußtsein besitzen. Denn auch mein Herz sehnt sich danach, den Schatz mit jedem zu teilen, der ihn zu würdigen weiß. Man sollte jedoch äußerst vorsichtig sein mit der Verbreitung des anvertrauten Samens der Lehre und stets den Hinweis anwenden: „Wer eine kostbare Formel entdeckt hat, wird sie nicht durch das offene Fenster hinausrufen, denn der Schaden könnte größer sein als der Nutzen.» Anfänglich war ich selbst schuldig in bezug auf Vorsicht, und sogar heute noch wird es mir von Natur aus recht schwer, irgend etwas nur für mich allein geheimzuhalten. Daher verstehe ich Dein Verlangen so gut, etwas mit anderen zu teilen und ihnen Hoffnung zu bieten und Freude zu bereiten. Aber persönliche Erfahrung und schwarzer Verrat lehren uns allmählich, vorsichtiger zu sein. Doch selbst heute noch lasse ich die weise Warnung zuweilen außer acht (obgleich nur teilweise): „Verstehe, das dir Anvertraute zu schützen», eine Warnung, die jedem gegeben wird, der den Pfad des Lichtes betritt. Die schwerste Prüfung ist für mich, unter Menschen zu leben und ihnen nicht zu trauen! Aber wir müssen auch dies durchmachen. Man sollte lernen, andere nicht mit übermäßigem Vertrauen zu belasten und trotzdem frei von einem schrecklichen Mißtrauen zu sein. Die menschliche Natur ist ein versiegeltes Buch! Wie es in einem weisen Sprichwort heißt: „Wenn du einen Menschen kennenlernen willst, dann iß einen halben Zentner Salz mit ihm.» Sei also vorsichtig.

Man muß sich daran erinnern, daß wir, wenn wir uns der Lehre und den Älteren Brüdern nähern (infolge unfehlbarer okkulter Gesetze), unsere wahre Natur viel schneller entfalten. Gewisse charakteristische Eigenschaften kommen an die Oberfläche, die sonst bis zur nächsten Verkörperung schlummernd bleiben könnten. Denke an das, was im Kelch des Ostens gesagt wird: „Wie der Regenschauer den Felsen nicht befruchten kann, so hat die okkulte Lehre keine Wirkung auf Menschen, denen es an Auffassungsfähigkeit mangelt, und wie Wasser in ungelöschtem Kalk Hitze entwickelt, so erweckt auch die Lehre jedes unvermutete Potential im Jünger.»

Dies ist ein unveränderliches Gesetz auf dem okkulten Gebiet; je ernsthafter und aufrichtiger der Aspirant ist, und je mehr er die Bedeutung seiner Aufgabe erkennt, um so stärker ist die Wirkung dieses Gesetzes.

Mit dem alten okkulten Grundsatz „Erkenne dich selbst» muß jeder Jünger vertraut sein. Aber so sehr wenige verstehen die wirkliche Bedeutung dieses weisen Sprichwortes des delphischen Orakels. Ich schreibe Dir dies alles, um Dir klarzumachen, warum einige von denen, die an die Lehre herangetreten sind, plötzlich gewisse Eigentümlichkeiten zeigen. Ich möchte, daß Du gut darauf vorbereitet bist. Bis zu einem gewissen Grade erklärt dieses Gesetz, warum so viele Verräter bei jedem erleuchteten Unternehmen enthüllt werden. Der freie Wille des Menschen ist die höchste göttliche Gabe, aber dies bedeutet, daß man diesen Willen wirklich göttlich gebrauchen sollte, wirklich göttlich! Ich schreibe hierüber, weil meine Seele gerade jetzt durch einen Verrat verwundet wurde. Aber wie es in der Lehre heißt: „Wir müssen lernen, im gleichen Zelt mit einem Verräter zu schlafen.» Wirklich, man muß sein Herz ausbilden und lernen, die Menschen nicht mit übermäßigem Vertrauen zu überlasten. Nimm dies als einen freundlichen Rat an, und wie Du sehen kannst, als einen Rat, der auf Erfahrung beruht.

Nun zu Deinen Fragen. Natürlich, die „Mutter der Welt» ist das Haupt der Großen Hierarchie des Lichtes auf unserem Planeten. Lies in den Geheimschriften des Ostens die Erzählung über die Mutter der Welt, und nimm sie als höchste Wirklichkeit an. Hinter jedem Symbol steht eine Hohe Individualität, und jedes Symbol deckt eine große Realität. Jede Große Individualität hat Ihren Stellvertreter oder Personifizierungen, die Ihrem Strahl am nächsten sind, und manchmal verkörpert sich eine dieser Großen Individualitäten persönlich - daher der Begriff des Avatars.

Die Mutter des Universums oder des offenbarten Kosmos kann jedoch als eine der Figuren der Heiligen Dreieinigkeit angenommen werden. Es gibt tatsächlich keine Religion, außer des späteren kirchlichen Christentums, in der das Weibliche Element nicht unter die drei Primaten des Seins einbezogen ist. Auch die Gnostiker hielten den Heiligen Geist für ein Weibliches Element. In den ältesten Lehren wurde die offenbarte Dreieinigkeit des Vaters, der Mutter und des Sohnes als Ausstrahlung der höchsten, ewig verborgenen Ursache betrachtet, und die letztere ihrerseits als Ursache ohne Ursache.

Diese Ursache ohne Ursache ist das Parabrahman der Hindus. Rarabrahman ist jedoch kein Persönlicher Gott. Es ist das „Das» der Anhänger der Vedanta. Parabrahman ist einfach die Wirklichkeit, die kein Äquivalent hat - das Absolute oder vielmehr der unbegrenzte abstrakte Weltraum, der den potentiellen Weltraum enthält, der auch Aditi genannt wird.

Genau, die erste Differenzierung in den periodischen Manifestationen der ewigen Natur, geschlechtslos und unbegrenzt, ist Aditi in „Das» oder der potentielle Weltraum innerhalb des abstrakten Weltraumes. In seiner nächsten Offenbarung erscheint es als die göttliche, unbefleckte Mutter-Natur innerhalb der allumfassenden absoluten Unbegrenztheit. Der Weltraum wird also „Mutter» genannt, bis seine kosmische Tätigkeit beginnt, und Vater-Mutter ist sein erstes Stadium des Erwachens.

Wie es in den Lehren des Altertums heißt: „Von Anfang an, ehe die Mutter Vater-Mutter wurde, bewegte sich der Feurige Drache in der Unbegrenztheit...

In der Kabbala ist Ain-Suph also der Weltraum, die Dunkelheit. Und aus ihm geht zur rechten Zeit Sephira hervor - das Lebenselement. Sephira nimmt, wenn es als aktive Kraft offenbart wird, das Bild des Schöpfers an und wird das Männliche Element. Darum ist er der Androgyne. Er ist Vater-Mutter der Aditi der Hindukosmogonie und der Heiligen Lehre. Die Dunkelheit ist also Vater-Mutter; Licht ist Ihr Sohn. Die Dunkelheit ist der ewige Schoß, in dem die Quelle des Lichtes erscheint und verschwindet...

Vater und Mutter sind das männliche und weibliche Prinzip in der Wurzel der Natur oder die gegensätzlichen Polaritäten in allen Dingen auf jeder Ebene des Kosmos. Sie sind Geist und Substanz, deren Resultat der Sohn ist...

Wenn also die Mutter sich aus ihrem homogenen Zustand offenbart, wird sie die sündenlose Jungfrau, die mit dem Universalen Mysterium («Das») geschmückt, aber frei von Empfängnis ist. Daher kommt die Idee der «Unbefleckten Empfängnis». Sie bringt Ihren Gemahl aus Sich Selbst hervor. So stößt man in allen östlichen Religionen oft auf die Definitionen, die allen höchsten Göttern gegeben werden: «Der Gemahl Seiner Mutter» und «Der Sohn der Unbefleckten Empfängnis». In jedem religiösen System verschmolzen die Götter ihre Funktionen des Vaters, des Sohnes und des Gemahls zu einer einzigen Funktion. In jeder Kosmogonie wurde der Sohn als «Der Gemahl Seiner Mutter» angesehen. Der Titel des Höchsten Ägyptischen Gottes, Amon, ist «Gemahl Seiner Mutter».

Wenn der Sohn sich von der Mutter trennt, wird er der Vater. Darum heißt es, daß in der Welt des Seins der Eine Punkt oder Strahl den Jungfräulichen Schoß des Kosmos befruchtet, und die sündenlose Mutter gebiert die Form, die alle anderen Formen erzeugt. Der hinduistische Prajapati (Brahma) wird «das erste erzeugende Männliche Element» und «der Gemahl Seiner Mutter» genannt.»

Ich werde aus der Geheimlehre die Beschreibung des Pralaya anführen, die in dem Buch Stanzen des Dzyan zu finden ist, das ihre grundlegende Quelle war.

„STANZE 1. Die Ewige Mutter, gehüllt in ihre Ewig-Unsichtbaren Gewänder, hätte wieder einmal Sieben Ewigkeiten lang geschlummert ...

«Die Mutter», der Weltraum, ist die ewige, allgegenwärtige Ursache von allem - die unbegreifliche Gottheit, deren «Unsichtbare Gewänder» die mystische Wurzel aller Materie und des Universums sind. Der Weltraum ist das eine, ewige Ding, das wir uns am leichtesten vorstellen können, unbeweglich in seiner Abstraktion und unbeeinflußt durch die Gegenwart oder Abwesenheit eines objektiven Universums in ihm. Er ist ohne Dimension in jeder Hinsicht und selbstexistierend. Geist ist die erste Differenzierung von «Das», der ursachenlosen Ursache von Geist und Materie. Wie im Esoterischen Katechismus gelehrt wird, ist es weder «eine grenzenlose Leere» noch «bedingte Fülle», sondern beides. Es war und wird ewig sein.

Die «Gewänder» bedeuten also das Noumenon von undifferenzierter Kosmischer Materie. Es ist keine Materie, wie wir sie kennen, sondern die geistige Essenz der Materie, und sie ist in gleicher Weise ewig und sogar Eins mit dem Weltraum in seinem abstrakten Sinne. Die Wurzel-Natur ist auch die Quelle der subtilen, unsichtbaren Eigenschaften in der sichtbaren Materie. Sie ist sozusagen die Seele des Einen Unbegrenzten Geistes. Die Hindus nennen sie Mülaprakriti und sagen, daß es die uranfängliche Substanz ist, die die Grundlage des Upädhi oder Körpers in jedem Phänomen ist, ob physisch, psychisch oder mental. Es ist die Quelle, aus der Akasha ausstrahlt.»

Aus diesen Auszügen, die aus der Geheimlehre zitiert wurden, kannst Du sehen, wie bedeutungsvoll das Weibliche Element in den Kosmogonien des Altertums war. Nur die vollkommene Unwissenheit des Mittelalters konnte das Weibliche Element aus dem Aufbau allen Seins entfernen. Wahrhaftig, in ihrer Quelle sind beide Elemente, das Männliche und das Weibliche, vereinigt, und das eine kann nicht ohne das andere existieren. Die Geringschätzung des einen bedeutet die Geringschätzung des anderen.

Es gibt also nur eine einzige Substanz, ein einziges Element - ob es Gott, Geist, Feuer, Das etc. oder Parabrahman, Ain-Suph, Weltraum, das Absolute etc. etc. genannt wird, das in seiner Potentialität beide Polaritäten hat, oder das Androgyne ist.

Ich glaube, daß ich noch einen Auszug aus der Geheimlehre anführen sollte: „Vom Beginn des Erbes des Menschen an, vom ersten Erscheinen an des Architekten des Globus, auf dem er lebt, wurde die unoffenbarte Gottheit erkannt und unter ihrem einzigen philosophischen Aspekt betrachtet - der Universalen Bewegung, der Erregung des schöpferischen Atems in der Natur. Der Okkultismus faßt die Eine Existenz folgendermaßen zusammen: « Die Gottheit ist ein geheimnisvolles, lebendiges (oder sich bewegendes) Feuer, und die ewigen Zeugen für diese unsichtbare Gegenwart sind Licht, Hitze, Feuchtigkeit» - diese Dreiheit, die jedes Phänomen in der Natur einschließt und seine Ursache ist. Interkosmische Bewegung ist ewig und unaufhörlich; kosmische Bewegung - die sichtbare oder jene, die der geistigen Wahrnehmung unterworfen ist - ist endlich und periodisch. Als ewige Abstraktion ist sie das Allgegenwärtige; als Manifestation ist sie endlich, sowohl in der kommenden Richtung als auch in der entgegengesetzten, diese beiden sind das Alpha und Omega von aufeinanderfolgenden Rekonstruktionen.

Der Kosmos - das Noumenon - hat nichts mit den kausalen Beziehungen der phänomenalen Welt zu tun. Nur hinsichtlich der interkosmischen Seele, dem idealen Kosmos im unveränderlichen Göttlichen Gedanken, können wir sagen:

«Er hatte niemals einen Anfang, noch wird er je ein Ende haben». Was seinen Körper oder die kosmische Organisation anbetrifft, kann jedoch nicht gesagt werden, daß er einen ersten Aufbau hatte oder je einen letzten Aufbau haben wird. Doch bei jedem neuen Manvantara kann seine Organisation als erste und letzte ihrer Art angesehen werden, da sie sich jedesmal auf einer höheren Ebene entfaltet.»

Wir können sagen, die Dreiheit ist Atma, Buddhi und Manas oder Geist, Seele und Intelligenz; oder Geist, Substanz und Licht; oder Geist, Materie und Kraft etc. etc.

Du solltest nicht zögern, Fragen an mich zu richten. Ich bin immer gern bereit, Dir gewisse Hinweise zu geben, obgleich es recht schwer für mich ist, ausführlich in Einzelheiten zu gehen, da ich keine Hilfskräfte habe und doch so viel schreiben muß. Aber abgesehen davon sind Hinweise nützlicher, da sie einen Impuls zum Denken geben.

Und nun bezüglich anderer Angelegenheiten. Sei nicht enttäuscht, daß die Zeichen seltener werden und nicht so stark hervortreten. Erwäge vielmehr das drohende Armageddon und die folgliche Vergiftung der ganzen Atmosphäre. Tatsächlich sind nicht nur die irdischen Schichten durch Zersetzung vergiftet, die uns direkt umgeben, sondern sogar die fernen Sphären der Subtilen Welt. (Ganz abgesehen von denen, die der Erde am nächsten sind.) Genau, alle subtilen Offenbarungen können während einer solchen Periode den Organismus sehr ernstlich in Mitleidenschaft ziehen. Die Kräfte des Lichts gehen genau den existierenden Umständen gemäß vor und handeln den Kräften unseres eigenen Organismus entsprechend. Überdies folgt nach jedem Sieg eine Periode des Schweigens, eine Art Ruhepause, damit der Organismus alles, was er empfangen hat, besser assimilieren und sich für weitere Wahrnehmungen und Verfeinerungen vorbereiten kann. Alle Symptome, die Du beschreibst, sind sehr charakteristisch für das teilweise Öffnen der Zentren. Darum schlage ich vor, daß Du außerordentlich vorsichtig mit Deiner Gesundheit sein solltest. In erster Linie überarbeite Dich nicht und vermeide Erkältungen. Dann schlage ich vor, daß Du zweimal täglich doppeltkohlensaures Natron einnimmst. Vergiß nicht, daß es kein besseres Heilmittel für Schmerzen im unteren Teil der Brust gibt als doppeltkohlensaures Natron. Und ganz allgemein ist doppeltkohlensaures Natron ein äußerst heilsames Präparat. Es verhütet alle möglichen Krankheiten, einschließlich Krebs. Aber Du mußt es Dir zur Regel machen, es täglich und regelmäßig einzunehmen. Besonders dient es zur Erleichterung der Schmerzen und Bewegungen im Sonnengeflecht. Auch für Halsschmerzen und ein brennendes Gefühl im Hals ist heiße (aber nicht gekochte) Milch mit Soda äußerst hilfreich. Die gewöhnliche Dosis ist ein Teelöffel voll auf ein Glas. Du solltest jedem Soda empfehlen. Sorge auch dafür, daß der Magen nicht überladen ist und der Darm entleert wird. Zweimal täglich trinke Baldriantee oder nimm Baldriantropfen ein. (Dreißig bis vierzig Tropfen.) Doppeltkohlensaures Natron ist während einer Feuersbrunst der Zentren absolut erforderlich. Es entlädt die feurigen Energien und verhütet verzehrendes Feuer.

Ich freute mich besonders, über die Empfindung von heißen Strömen im Herzen zu hören.

Schenke also jeder Offenbarung Aufmerksamkeit, und mache es Dir zur Gewohnheit, täglich und ganz genau alle Deine Empfindungen und Visionen aufzuschreiben. Solche Notizen können äußerst wertvolle Beiträge für das Studium der Subtilsten Energien werden. Also - viel Glück! Erschaffe, schreibe und beobachte! Und vor allem, hege jenes göttliche Feuer der Liebe zu dem Großen Ebenbild von Ihm, der uns auf den Pfad des Lichtes, der Schönheit und der Freude hinwies.


24. Juni 1935

Die Volksweisheit sagt: „Rechtschaffene Arbeit baut einem keinen Marmorpalast.» In der Tat, große Schönheit liegt in dem Begriff unabhängiger Bemühung. Man sollte die großen Bündnisse durch seine eigene Arbeit im Leben anwenden. Man sollte nicht nur vom Überfluß opfern, sondern dadurch, daß man alles gibt und nur das Notwendigste für sich selbst läßt.

Wenn es keine Schwierigkeiten und keinen Verrat gäbe, wo wären dann die Errungenschaften und der Dienst für das Licht? Die Vertrauenswürdigen und die Jünger der Weißen Bruderschaft haben nie ein wohlhabendes und luxuriöses Leben geführt wie die Magier in den Büchern von Kryjanovsky! Der Pfad der Behaglichkeit und der Luxus ist nie von irgendeiner Lehre befürwortet worden. Es wurde überall auf den großen Mittelweg hingewiesen, aber an eine hohe Qualität erinnert. Dies besagt, daß ein Jünger nicht zu hungern braucht und sogar eine angemessene Behaglichkeit haben kann, die dem Auftrag, der ihm übergeben wurde, entspricht, daß er jedoch trotzdem diese Behaglichkeit opfern können sollte, wenn die Umstände es erfordern. Die materiellen Hindernisse auf dem Pfad des Dienstes sind nicht die schwierigsten, obgleich die Dunklen sehr gern die empfindlichen Stellen bei vielen angreifen und ihre verborgenen Eigenschaften ans Licht bringen. Schwerer ist der Kampf gegen das verdunkelte menschliche Bewußtsein. Die menschliche Natur ist unvorhersagbar, und es ist schrecklich, von allen möglichen Verrätern umgeben zu sein, deren Anzahl in dieser Zeit der Massenbesessenheit außerordentlich zugenommen hat. Und doch, der schwerste und hartnäckigste Kampf ist der gegen unsere eigenen Gewohnheiten und Unzulänglichkeiten. Durch die Wirkung der unveränderlichen okkulten Gesetze wird unsere wahre Natur enthüllt, und die Eigenschaften, die sonst bis zu den folgenden Verkörperungen in uns verborgen und schlummernd geblieben wären, kommen an die Oberfläche. Man sollte die letzten Briefe im Kelch des Ostens immer wieder lesen. Ich werde hier eine Seite aus den Schriften von H. P. Blavatsky anführen. Sie ist betitelt: „Warnung.»

„Es gibt ein seltsames Gesetz im Okkultismus, das durch Erfahrung über viele Jahrtausende hin bestätigt worden ist. Auch während all der Jahre der Existenz der Theosophischen Gesellschaft wurde dieses Gesetz in jedem Fall unleugbar bestätigt. Es ist, daß sich in dem Augenblick, wo jemand den Probepfad betritt, bestimmt gewisse okkulte Folgen offenbaren. Das, was vorher schlummerte, tritt hervor: Laster, Gewohnheiten, verborgene Wünsche und Eigenschaften - gute, schlechte und unbedeutende.

Wenn ein Mensch zum Beispiel infoige von Atavismus oder karmischer Erbschaft eitel oder sinnlich oder eingebildet ist, werden alle diese Laster unweigerlich hervortreten, selbst wenn es dem Menschen bisher gelungen ist, sie zu verbergen und zu unterdrücken. Sie werden unwiderstehlich hervortreten, und der Mensch wird sie mit hundertmal verstärkter Kraft bekämpfen müssen als zuvor, bis es ihm gelingt, solche Neigungen auszurotten.

Andererseits, wenn man freundlich, großmütig, keusch und enthaltsam ist oder irgendwelche schlummernden Tugenden besitzt, werden sowohl alle diese als auch die übrigen offenbart. (Im Bereich des Okkulten ist dies ein unveränderliches Gesetz.)

Je ernsthafter und aufrichtiger der Wunsch des Kandidaten ist, und je tiefer er die Bedeutung seiner Pflicht erkennt, um so stärker ist die Wirkung dieses Gesetzes.

Der alte okkulte Grundsatz «Erkenne Dich selbst» sollte von jedem Jünger erlernt werden...»

Ich führe dies an, weil ich Dich davor warnen möchte, wie oft die Anhänger der Lehre sozusagen ganz unerwartete Eigentümlichkeiten des Charakters zu offenbaren beginnen. „Wahrlich, ein Kontakt mit der Quelle des Lichtes ist ein Prüfstein für jeden.»

Und nun etwas anderes. Weißt Du, daß ein aufrichtiger, inbrünstiger Ruf des Herzens und die darauf folgenden Taten wie ein mächtiger Rundfunkapparat wirken und unfehlbar das Große Herz erreichen? Wenn Dein Freund daher inbrünstig zum Licht strebt, macht diese bloße Tatsache ihn dem Großen Lehrer bekannt. Nicht daß ich P.D. in den Augen Deines Freundes herabsetzen möchte, aber ich muß Dir sagen, daß der Unterschied zwischen den Großen Lehrern der Feste im Himalaya und jedem Jünger hier auf Erden unermeßlich ist. H.P. Blavatsky pflegte zu sagen, daß ihr Geist erst nach mehreren Manvantaras den Grad des Großen Geistes von dem Herrn M. erlangen würde. Erinnere Dich an das, was ich Dir in bezug auf dieses Ebenbild gesagt habe. Wahrhaftig, nur das Allerhöchste steht mit Ihm, mit diesem Hierarchen in Beziehung. Nur die allerhöchsten Vorstellungen sind in diesem Großen Ebenbild verkörpert.

Natürlich kann man dem unvorbereiteten Bewußtsein nicht sofort die ganze Wahrheit offenbaren. Während der Zeitalter der Vergangenheit ist nur der Teil gegeben worden, der von der Menschheit assimiliert werden konnte. Darum mußten die Großen Ebenbilder einen grauen Deckmantel gebrauchen und müssen es auch heute noch tun, damit Ihr Licht nicht das trübe Bewußtsein blind macht. Möge sich das Bewußtsein Deines Freundes allmählich für die große Wahrheit öffnen. Ich glaube, er ist eine reine Seele. Darum sollte sein eigenes Herz entscheiden und von dem inneren Licht seines Kelches von Ansammlungen erleuchtet werden. Zwinge ihn nicht, laß ihn seinen eigenen Pfad erwählen. In diesem geistigen Kampf muß er selbst Sieger werden. Ich werde einen Paragraphen aus der Lehre anführen: „Hütet Euch vor blindem Eifer, nicht in bezug auf die Rufe anderer, sondern damit Ihr selbst keine Missionare werdet. Es ist unmöglich, den Schaden zu beschreiben, der von Missionaren angerichtet worden ist, und es ist unmöglich, ohne Verachtung zu beobachten, wie die Lehre im Basar zu herabgesetzten Preisen verkauft wird. Versucht zu verstehen, daß die Lehre, die ihre Bedeutung erkennt, sich nicht im Basar anpreisen wird.»

Erinnerst Du Dich, daß Du seinerzeit fühltest, Du möchtest alle existierenden geistigen Gruppen vereinigen? Aber jetzt kannst Du durch persönliche Erfahrung sehen, daß dies angesichts des geistigen Zustandes der Menschheit unmöglich ist. Die menschliche Natur ist noch nicht einmal für die primitivste Zusammenarbeit bereit! Wir haben einige Erfahrungen gehabt, und darum bitten wir niemals und zwingen niemanden. Wenn jemand jedoch unser Zeichen annimmt, müssen wir auf der Hut sein und uns vergewissem, daß unter diesem Zeichen nicht etwas eingeführt wird, was unseren grundlegenden Prinzipien und Regeln gänzlich widerspricht.

Außerdem zerstört der blinde Eifer der Anhänger alle Grundlagen, die von den Gründern und den Lehrern gelegt wurden. So war es, und so ist es. Darum würde ich insbesondere den Geschichten über die Strafe, die den Abtrünnigen von der Person zugemessen wurde, die Du erwähnst, keinen Glauben schenken, da dies reine schwarze Magie gewesen wäre und bestimmt dem Geist der Broschüre, die Du mir gesandt hast, widerspräche.

Zweifellos gibt es Fälle, wo ein dunkler Geist schwarze Gedanken zu einem reinen Geist lenkt und einen Rückschlag erhält. Aber in einem solchen Falle straft er sich selbst, denn was kann man tun, wenn die leuchtende Aura die übertragenen giftigen Gase nicht annimmt? Wir und unsere Freunde sind oftmals Zeugen solcher Rückschläge gewesen, aber ich kann Dir versichern, daß in keinem Falle der geringste Wunsch bestand, den Schlag zu erwidern. Vergebung ist eine elementare Eigenschaft des wahren Lehrers. Er kann entrüstet sein, aber er wird niemals bewußt einen tödlichen Pfeil senden. Nur der Große Lehrer, der Herr des Karmas, hat das Recht, bewußt einen tödlichen Strahl zu senden. Bei dem Lehrer ist es also eine Sache und bei den Anhängern etwas gänzlich anderes! Darum sollten wir solche Geschichten mit Vorsicht behandeln. Allerdings kann der böse Wille eines starken Menschen gewissen Schaden anrichten, wenn die Aura eines Menschen durch Furcht oder Krankheit geschwächt ist. Das beste Universalmittel gegen solche vergifteten Pfeile ist Hingabe zu den Grundlagen der Lehre, Liebe zur Hierarchie und vollständige Gelassenheit. Wir müssen uns an die Idee gewöhnen, daß wir in einer vergifteten Atmosphäre wohnen, in der zahlreiche vergiftete Pfeile herumfliegen, und daß nur unsere tiefempfundene Verbindung mit den Kräften des Lichtes uns hilft, unser Schutznetz zu bewahren. Aber wenn wir je die Macht der Hierarchie bezweifeln, oder wenn wir angesichts der Feinde Kleinmut erlauben, machen wir unsere Ausstrahlungen unwirksam und zerstören dadurch das Schutznetz, das aus ihnen gewoben ist.

Ich habe aufrichtiges Verständnis für Deinen Freund und hoffe, daß er eine strebende Seele ist, die den Ernst und die Bedeutung der Prüfung verstehen kann, der er jetzt gegenübersteht. Darum bitte ich Dich, ihm nicht zu verschweigen, daß der Pfad des Dienstes, der Pfad der Errungenschaft sehr, sehr schwer ist. Wer diesen Pfad erwählt, sollte für jede Selbstaufopferung bereit sein. Die Hindernisse und Schwierigkeiten nehmen im Verhältnis zu unserem Fortschritt auf dem Pfad zu. Es ist wahr, daß ein Jünger größeres Wissen erlangt. Aber dies bringt nicht viel Freude im Leben, da niemand vorhanden ist, mit dem er es teilen kann, und keine Möglichkeit besteht, es anzubringen, denn auch Verantwortung nimmt im Verhältnis zum Wissen zu. Überdies ruft gerade dieses Wissen Neid und Verrat in seiner Umgebung hervor. Die umgebende Dunkelheit ist wirklich tragisch.

Schwer ist der Pfad der Errungenschaft, und er kann nicht erleichtert werden, bis das menschliche Bewußtsein mit einem neuen Impuls für den nächsten Schritt aufgerüttelt wird. Es kommen schwere Zeiten auf dem Pfad, wenn der Jünger sich selbst überlassen bleibt, wenn er unabhängig seine ganze Wachsamkeit und seine Fähigkeiten zeigen muß, wenn er sogar die Stimme des Lehrers vorübergehend nicht hört. Aber das Herz des wahren Jüngers ist voller Freude und Streben, denn er weiß, daß es nur eine neue Stufe ist. Die Freude seiner Pflichterfüllung bleibt bei ihm, und mit der ganzen Macht seines Geistes strebt er, die Aufgabe sogar noch vollkommener m erfüllen. Wahrlich, darin besteht seine ganze Freude.

Schwer ist der Pfad des Dienstes. Trotzdem werden jene, denen die Möglichkeit geboten wird, in den Pfad des Dienstes einzutreten, während sie im Leben sind, diese Krone für keinen der Schätze der Welt aufgeben. Denn keine anderen Freuden können mit jenem geistigen Entzücken verglichen werden, das der wahre Jünger erlebt. Je reiner seine früheren Ansammlungen waren, desto schöner ist seine Errungenschaft. Gewiß, es gibt viele Motten und Schmetterlinge um die Lehre herum, aber der Nutzen von ihnen und für sie entspricht ihrem dahinschwindenden Geflatter. Wenn ich mit Dir und Deinem Freund spreche, hoffe ich, daß ich mit reifen Bewußtseinen rede, die sich nicht vor Schwierigkeiten fürchten. Wahrhaftig, das Herz des erfahrenen Kämpfers bebt und ist voller Begeisterung angesichts eines neuen Kampfes. So laßt Euer Herz mit der neuen Flamme des Lichtes von Abhidharma erfüllt sein vor der Möglichkeit neuer Errungenschaften und eines Sieges. Dein Freund sollte dies also nicht für einen dringlichen Ruf halten, sondern es lieber als eine herzliche Warnung ansehen.

Wer ist bereit für die große Tat der Selbstaufopferung? Wahrlich, nur das vollständige Sich-selbst-Geben ist von Wert, und nur dies führt zum Ziel.

Ich bin absolut nicht über die Tatsache überrascht, daß gewisse Leute unter Deinen Intellektuellen die Feurige Welt nicht verstehen können. War diese sogenannte Intelligenz je das Zeichen wahren Wissens oder von Ansammlungen des Kelches? Intellekt ist nicht das höhere Manas. Die höhere Intelligenz ist Weisheit, die Frucht vieler Jahre der Ansammlung. Man mag einen ausgezeichneten Intellekt besitzen und gleichzeitig nicht die große Synthese haben, welche geistige Wahrnehmung für die wahre Natur der Dinge verleiht. Häufig sind begrenzte Spezialisten intellektuell brillant, offenbaren jedoch eine vollständige Abwesenheit von Synthese. Und keine Erklärungen können ihnen helfen, da nichts sich so langsam ansammelt wie die Synthese. Die Mehrzahl der wahren „Empfänger» der Lehre mögen die Wiege verlassen haben, sind aber doch noch zu jung, um lesen zu können. Wir leben inmitten der verschwindenden fünften Rasse und beobachten die Geburt der kommenden Lichtträger der sechsten Rasse.

Und nun will ich Dir sehr kurz antworten: „Abhidharma» ist buddhistische Metaphysik. In diesem Falle bedeutet das Licht von Abhidharma das höchste Bewußtsein, Buddhi-Manas.

„Dukkar», die Vieläugige und Vielarmige, ist eine tibetische Gottheit des Weiblichen Elements. Sie ist die Entsprechung der hinduistischen Kali und Lakshmi, dem Symbol der Mutter der Welt. Gewöhnlich wird Sie auf den tibetischen Thangkas unter einem Regenschirm dargestellt, was die gesammelten Tropfen der Höchsten Wonne symbolisiert.

Die „Strahlen an den Schultern» sind die Ausstrahlungen von den Schulterzentren. Jedes Nervenbündel ist der Herd von Strahlen.

Die Energie „Kamaduro» entspricht dem unterirdischen Feuer. „Uräus» ist ein heiliges Symbol, das den Kopf der Kobra darstellt. Es wurde von den Eingeweihten und Pharaonen von Ägypten als Kopfputz gebraucht und schmückt auch die Götter Indiens. Uräus ist daher ein Symbol der Einweihung und der verborgenen Weisheit. Die Schlange ist stets ein Symbol der Weisheit gewesen, und die indischen Weisen des Altertums wurden Nagas genannt. „Nag» bedeutet Schlange. Uräus bedeutet auch das kosmische Feuer.

„Die Verdichtung des Astrals» ist die Verdichtung des subtilen Körpers (fast bis zum physischen) - der Zustand der meisten Großen Adepten der Himalayas. Ich kann Dir keine weiteren Erklärungen über die Verdichtung geben, da ich keine Erlaubnis habe, es zu tun.


24. Juni 1935

Dein Brief hat unsere Berge erreicht, und ich werde versuchen, Deine Fragen soweit wie möglich zu behandeln. Aber bevor ich dies tue, möchte auch ich gern eine Frage an Dich richten: Glaubst Du nicht, daß ein tiefer Grund für die Tatsache vorliegt, daß die Bücher der Lebendigen Ethik oft keine festen Formeln enthalten, sondern nur Hinweise? Genau. Es besteht eine Regel in den Grundlagen der Lehre (oder vielmehr ein Gesetz), daß „alles von menschlichen Händen und Füßen getan werden muß». Diese Formel drückt den ganzen Wert von unabhängiger Errungenschaft aus, die Art Errungenschaft, die unsere eigene und unveräußerlich ist.

Und nun zu Deinen Fragen.

1. Die Essenz von Moru oder Balu wird von einer Pflanze hergestellt, die auf den Abhängen der Himalayas in einer Höhe von etwa zweitausendsechshundert Metern verbreitet ist. Sie gehört zur Rhododendronfamilie. In Tibet wird sie in den Tempeln und Häusern als Weihrauch gebraucht.

2. Unter „Verdichtung des Astrals» sollte man die Verdichtung des subtilen Körpers bis fast zum Zustand des physischen verstehen. Viele Jahrhunderte lang hat die Weiße Bruderschaft in dieser Richtung experimentiert, und jetzt sind wunderbare Resultate erzielt worden. Aber gewiß, weder Einzelheiten des Apparates noch irgendwelche der erforderlichen Chemikalien oder Zutaten können bekanntgemacht werden, da dann der größte Schaden entstehen würde. Zur rechten Zeit wird die Erscheinung solcher verdichteter Körper alle Zweifel hinsichtlich der Existenz der jenseitigen Welt beseitigen, und dadurch wird eine sichtbare Verbindung mit der Subtilen Welt hergestellt werden.

3. Der Entwurf des Apparates, der die psychische Energie sammelt, wird dem gehören, der das kannische Recht dazu hat. Dasselbe kann über die Apparate gesagt werden, die die Spannung des Feuers des Weltraumes messen. Selbst wenn ich sie Dir beschreiben würde, würde es Dir kaum zum Nutzen gereichen. Aber jeder ist berechtigt, zu suchen und zu finden. Wahrhaftig, Hinweise werden gegeben, und alle Entdeckungen sind bereits im Weltraum festgelegt. Alle diese Apparate werden nicht nur in der Subtilen Welt gebraucht, sondern auch in der physischen, in der Feste der Großen Bruderschaft.

Jeder kann seine Schwingungen verstärken in Übereinstimmung mit einer bestimmten Idee, die im Weltraum festgelegt ist, und die sogenannte Erleuchtung oder Inspiration erhalten - oder wenigstens einen flüchtigen Einblick in der gewünschten Richtung.

4. Bewußtsein ist die grundlegende Energie, und die psychische Energie ist ihre höchste Qualität.

5. Die Rhythmen Mahavan und Chotavan sind die Rhythmen des Kosmischen Feuers. In einem gewissen Grade der Errungenschaft des Feurigen Yoga beginnt unser Organismus, diese Rhythmen wahrzunehmen (die aus dem Weltraum kommen) und auf sie widerzuhallen. Aber ihre bloße Wiederholung wird, wie alles Mechanische, keine Ergebnisse erzielen. Wenn dieser Rhythmus von Bedeutung sein soll, muß man einen Vorrat an psychischer Energie besitzen. Ohne die Hilfe der psychischen Energie bleiben diese Rhythmen tot. Im Zusammenhang hiermit gebe ich Dir einen Paragraphen aus Agni Yoga.

„Die Lehre verfällt infolge seelenloser Wiederholung. Daher muß die Qualität des Rhythmus verstanden werden. Natürlich liegen jedem Kristall Anziehung und Pulsschlag zugrunde. Aber der Pulsschlag - oder Rhythmus - ist die Offenbarung des Lebensprinzips. Darum kann der gegebene Rhythmus mehr oder weniger lebendig oder tot sein. Der lebendige Rhythmus, der durch die Wirkung des Bewußtseins vergeistigt ist, wird eine Wechselbeziehung von subtilen Energien bewirken. Aber der Rhythmus der Lippen ergibt einen toten Pulsschlag, der das weise Schweigen stört und daher nur Schaden anrichtet. Hütet Euch vor geistlosen Wiederholungen! Wahrlich, sie lösen die kostbarsten Perlen des Geistes auf. Wenn seine Tätigkeit nur auf Furcht oder Habgier beruht, dann könnte sogar ein Skelett einen zweckmäßigeren Rhythmus klopfen. In diesem Falle würde der Trommler der nützlichste Rhythmiker sein. Könnte man die Offenbarungen von Feuern vom Klopfen eines Hundeschwanzes erwarten, der auf einen Knochen hofft? Denkt daran, wenn Ihr Euch mit den feinsten Energien befaßt, wenn Ihr beabsichtigt, Euch zu nähern und das Zeichen des Feuers ins Leben zu rufen.

Als Ich Euch die Rhythmen des Feuers des Weltraumes gab, erwartete Ich bestimmt, daß Ihr ein geistiges Bewußtsein anwenden und ohne niedrige Beweggründe streben würdet. Vor langer Zeit wurde über die beiden Feuer gesprochen: Das schöpferische Feuer und das zerstörende. Während das erste erleuchtet und wärmt und erhebt, reduziert das zweite zu Asche und versengt. Aber Ich lenkte Euch nur zum schöpferischen Feuer. Ihr habt an Euch selbst gesehen, wie die Annäherung zum Feuer möglich ist, und sogar das Tageslicht hinderte Euch nicht, die Boten des Weltraumes zu sehen. Und die Sterne wurden mit Zeichen umgeben. Man muß diese feurigen Zeichen hüten und die besten Opfergaben des Bewußtseins sammeln lernen.

Weder ein Faustschlag noch Drohungen, sondern der lichtbeflügelte Aufstieg führt den Menschen zu den Pforten. Hütet Euch vor der Seelenlosigkeit des Alltags.» (Agni Yoga, 401)

Wenn Du gründlich über die gegebene Lehre nachgedacht hast, wirst Du erkennen, warum ich Deine Fragen so kurz beantworte. Die Lehre versucht in erster Linie, eine hohe Qualität der psychischen Energie zu entwickeln, ohne die der genaueste und subtilste Apparat nutzlos bleiben wird. Die Technik erreicht jetzt eine neue Phase, wo jeder Apparat die Hilfe der psychischen Energie braucht, und der Leiter dieser Energie ist der Mensch. Diese Erkenntnis wird Respekt für die Träger dieses heiligen Feuers hervorrufen. Solche Menschen werden als wirkliche Schätze ihres Landes angesehen werden.

Nur wer einen Vorrat dieser Energie hat, und wer mit den Hütern des Reservoirs dieser Macht in Beziehung steht, kann also hoffen, sich der Entdeckung des hilfreichen Leitungsapparates zu nähern. Aus diesem Grunde legt die Lehre solche Betonung auf die Reinigung und Erweiterung des Bewußtseins und auf die Verfeinerung unserer Gefühle. Ohne dies ist weder die Ansammlung der hohen psychischen Energie noch eine korrekte Verbindung möglich.


6. Juli 1935

Alle, die voller Furcht sind, sollten an diesen Paragraphen aus der Lehre erinnert werden: „Erfülle Unsere Botschaft. Wisse Licht zu bringen. Und verstehe die Erhabenheit der Schönheit zu offenbaren. Doch für die Flügel, die die Sonne berührten, doch für das schnelle Pferd vor Sonnenaufgang, doch für den Gesang, der die Mittemacht erfüllte, ist der Weg nicht schrecklich und grausam...» (Der Ruf, 260)

Die feurigen Rufe an das neue Bewußtsein zu neuer Aufbautätigkeit werden in der Lehre auf viele verschiedene Weisen wiederholt. Nur mit einem neuen Verständnis und mit neuen Methoden und mit einem erneuerten Geist kann man in die Neue Welt eintreten. In der Tat, eine große Auslese findet augenblicklich statt. „Ich erschaffe einen Neuen Himmel und eine Neue Erde, und die Alte Welt wird nicht mehr erwähnt werden und nicht ins Herz eintreten.»

Jeder Baumeister muß das Material kennen, das er zur Verfügung hat. Alles, was entartet oder ungeeignet ist, sollte zurückgewiesen werden. Nicht Massen, sondern ein paar Auserwählte sind erforderlich. Massen haben niemals etwas erschaffen. Ihr Schicksal war, zu zerstören.

Wie der große Denker Nietzsche durch seinen Zarathustra sagt: „Ein Licht ging mir auf: Gefährten brauche ich, und lebendige - nicht tote Gefährten und Leichname ... Ein Licht ging mir auf: nicht zum Volke rede Zarathustra, sondern zu Gefährten! Nicht soll Zarathustra einer Herde Hirt und Hund werden! ... Gefährten sucht der Schaffende und nicht Leichname, und auch nicht Herden und Gläubige. Die Mitschaffenden sucht der Schaffende, die, welche neue Werte auf neue Tafeln schreiben ... Den Schaffenden, den Erntenden, den Feiernden will ich mich zugesellen: den Regenbogen will ich ihnen zeigen und alle die Treppen des Übermenschen.»

Ich habe dieses Buch sehr gern. Natürlich werden viele entrüstet sein, wenn sie es lesen. Aber gerade sie sind diejenigen, die Schwierigkeiten haben werden, in die Neue Welt einzutreten. Die Zeit ist jetzt zu drohend für Sentimentalität. Alle, die streben können, die stark, ausdauernd und mutig sein können, sollten sich versammeln. Wahre Kämpfer des Geistes sind nötig, solche, die sich nicht fürchten, das Schwert für das Licht und das Allgemeinwohl zu erheben. Darum werden die Heiligen und die Bodhisattvas von Tibet mit einem Schwert dargestellt - dem Symbol der Furchtlosigkeit, der Tapferkeit und des Geistes. Wenn jemand furchtsam ist, sollte er lieber fortgehen, denn wahrlich, er wird das Feuer der Neuen Welt nicht ertragen können. Die Lehre ist nicht für die Schwachen und die Feiglinge. Die Erneuerung des Geistes und das wahre Verständnis für das Leben, erleuchtet durch den vollständigen Regenbogen der Unendlichen Schönheit, ist nahe.

Ja, Umwälzung und Veränderung des Bewußtseins sind erforderlich, sonst kommen Tod und Zersetzung. Dies ist das Kosmische Gesetz.

Es heißt, daß die wahren Gesichter der Menschen offenbar werden, weil die Reinigung des Weltraumes stattfinden muß. Aber Du solltest Dich nicht vor einer solchen Offenbarung fürchten. Vor langer Zeit wurde gesagt, daß „Iwan» (zu Hunderttausenden) sein Land erretten wird! Eine Schicksalstragödie ist die Folge eines Mangels an Verständnis, da viele nicht erkennen möchten oder vielmehr sich fürchten zu erkennen, daß sich das Bewußtsein des Volkes geändert hat - daß eine ganz neue Generation aufgewachsen ist, die sich gänzlich von der alten unterscheidet. Wenn unser Denken so ganz anders ist als das unserer Eltern, trotz des langsamen Tempos des letzten Jahrhunderts, was kann über die Psychologie der Generation gesagt werden, die in einer revolutionären Umgebung erzogen worden ist? Wie vollkommen anders muß ihre Psychologie sein! Wahrlich, der Mangel an Vorstellungsfähigkeit ist ein großes Hindernis und eine drastische Begrenzung der Möglichkeiten. Darum tritt den Angriffen ruhig entgegen. „Sich vor Wölfen zu fürchten, bedeutet den Wald zu meiden», und „Gott führt die Tapferen». Die Lebenserfahrung bestätigt diese weisen Sprichwörter. Die kulturelle Aufbauarbeit der Neuen Welt braucht Menschen mit einem tapferen und festen Bewußtsein, die dem Dienst des Guten geweiht und bereit sind, die Große Hierarchie des Lichtes jeden Augenblick zu verteidigen. Ich werde Fragmente aus meinem Lieblingsbuch Gemeinschaft anführen:

„Wir brauchen keine wohlmeinenden Nikodemusse, die nachts kommen und am Tage im Hohen Rat schweigen. Jeder muß das Geheimnis bewahren, das ihm anvertraut ist, aber er muß ein Wort über Uns bereit haben. Energische Worte können die Gegner verblüffen. Sagt, daß es merkwürdig ist, jemanden über das sprechen zu hören, was er nicht weiß. Wenn sie gegen die verborgenen Schätze sprechen, sagt, daß sogar die See voller versiegelter Flaschen ist. Wenn sie gegen die Gemeinschaft reden, sagt, daß derjenige, welcher Christus, Buddha oder Moses verehrt, nicht wagt, gegen die Gemeinschaft des Guten zu sprechen. Das Schlimmste ist, eine falsche Anschuldigung vorzubringen, denn in ihr sind Lüge und Verleumdung und Verrat und Unwissenheit. Sagt: «Da der Lehrer existiert, warum sollte man nicht von Seinem weisen Rat Gebrauch machen? Ihr wendet ihn nicht an, denn Ihr wißt nicht, wie Ihr ihn erhalten könnt. Eilt, Euch der Mahatmas nicht in der Geschichte, sondern im Leben bewußt zu werden, und inzwischen behaltet Eure Unwissenheit für Euch».

Wir vertreiben alle Furcht. Wir werfen alle vielfarbigen Federn der Furcht über den Haufen: Blaue Federn des eisigkalten Schreckens, die grünen Federn des zitternden Verrates, gelbe Federn des heimlichen Fortschleichens, rote Federn des rasenden Herzklopfens, weiße Federn der Zurückhaltung, schwarze Federn des Sturzes in den Abgrund. Es ist nötig, immer wieder über die Vielgestaltigkeit der Furcht zu sprechen, sonst bleiben irgendwo eine kleine graue Feder selbstgefälligen Gemurmeis oder sogar einige Fusseln übereilter Geschäftigkeit, doch hinter ihnen wird dasselbe Idol der Furcht sein. Jeder Flügel der Furcht trägt den Menschen abwärts.

Der in Furchtlosigkeit gekleidete «Gesegnete Löwe» ist dazu ausersehen, die Offenbarung des Mutes zu lehren.

Schwimmer, wenn ihr alles tut, was innerhalb der Möglichkeiten eurer Kraft liegt, wohin kann die zerstörende Woge euch tragen? Sie kann euch nur emportreiben. Und du, Sämann, wenn du die Samen ausstreuen willst, kannst du eine Ernte erwarten. Und du, Schäfer, wenn du deine Schafe nachzählst, wirst du ein augenscheinliches Licht entzünden.» (Das Neue Zeitalter- Gemeinschaft, 205 und 4l)

Du solltest aber Deine nützliche Arbeit fortsetzen und mit weiser Vorsicht vorgehen - doch niemals erliege der Verzagtheit. Fürchte Dich nicht vor Vogelscheuchen, oh, diese Schatten der Furcht! So viel Schönheit wird ihretwegen vernichtet. Und von so vielem berauben wir uns selbst. Ich erkenne, wie notwendig die begabten Mitarbeiter sind, aber leider sind sie jetzt so zerstreut.

Im letzten Heft der Zeitschrift Okkultismus und Yoga schenkte ich der Besprechung des Buches Die Grundlagen einer Neuen Betrachtung der Welt Aufmerksamkeit. Ich war überrascht über den Protest gegen die Definition von „DAS» als das Unerkennbare, das Unbegrenzte und das Ewige! Hier erscheint wieder der Schatten der Vermenschlichung. Natürlich kann DAS als das Unaussprechliche, das Unbegreifliche oder als Ursachenlose Ursache, als die Wurzellose Wurzel, als das Absolute etc. nicht als eine Individualität betrachtet werden, da jede Individualität bis zu einem gewissen Grade begrenzt ist, während das Absolute unbegrenzt ist. Ebenfalls könnte ich den Opponenten fragen, der erklärt: „Gott ist Liebe, aber nur ein „Jemand», nur eine Individualität ist fähig zu lieben, aber kein unpersönliches Prinzip oder Gesetz. Ob er je darüber nachgedacht hat, was Kosmische, Göttliche Liebe ist und wie sie in den Millionen von endlosen Manifestationen ausgedrückt wird, wie das unbegrenzte Potential von DAS unaufhörlich entfaltet wird? Der Osten hält das Göttliche Erste Prinzip heilig und zögert, auch nur einen Namen dafür zu gebrauchen, und spricht nur das Wort „DAS» oder „Unaussprechlich» aus. Alle Diskussionen über das Erste Prinzip sind im Osten verboten, aber die ganze Macht der Wahrnehmung ist auf die majestätischen Manifestationen dieses Mysteriums der Mysterien konzentriert. Das Universum steht auf einem Mysterium.

Viele von denen, die sich im Okkulten für kompetent halten, unterschätzen das große Mysterium des Universums noch immer schrecklich. Sie haben gelernt, das Wort „Unbegrenztheit» zu gebrauchen, aber sehr wenige erkennen diesen äußerst großartigen und Ehrfurcht erregenden Begriff voll und ganz. Sie fahren fort, ihren Gott durch alle endlichen Charaktereigenschaften zu begrenzen, die von ihren eigenen begrenzten Gedanken erschaffen worden sind.

Ich möchte ganz aufrichtig, daß Du ein wirklicher Kämpfer wirst und daß Du Deinen Geist unter dem Regen der feindlichen Pfeile stärkst. Diese feindlichen Pfeile zu erhalten, bereitet eine eigenartige Freude. So ist in diesem Augenblick ein Verrat entdeckt worden, wo ich ihn am allerwenigsten erwartete. Mein Herz wurde verletzt, aber irgendwie in seinen Tiefen steigt bereits Freude empor. Es ist die Freude eines Kämpfers, die Freude einer Möglichkeit, für die Wahrheit zu kämpfen, und vor allem die Freude über noch eine Befreiung!


9. Juli 1935

Du fragst, ob es richtig oder falsch ist, Sünden zu vergeben. Ich habe dieselbe Frage in einem meiner anderen Briefe beantwortet, in dem ich die Worte der Lehre anführte: „Einem reuigen Sünder für eine Gebühr Absolution zu erteilen, ist das nicht ein abscheuliches Verbrechen?» Im gleichen Brief erklärte ich, daß eine solche Vergebung eins der furchtbarsten Übel der modernen geistigen Erziehung ist, weil gerade die Möglichkeit, eine solche Vergebung zu erlängen, unter dem mächtigen und alleinigen Schutz der Kirche von frühester Kindheit an das verderbliche Gefühl der Verantwortungslosigkeit in das Bewußtsein der Menschen getrieben hat. Wegen gewisser Rücksichtnahmen auf örtliche Umstände möchte ich vorschlagen, daß vom Schulalter an die Wichtigkeit der persönlichen Verantwortung in einfachen und vernünftigen Worten vertreten wird.

Die Kinder sollten in der Schule gelehrt werden, für jeden Beweggrund, jeden Gedanken, jede Tat verantwortlich zu sein. Man sollte ihnen eine klare Vorstellung vom Sinn und von der Bedeutung ihrer Existenz geben. Hierdurch wird das Verständnis für die Notwendigkeit kommen, die Verpflichtungen des Lebens zu erfüllen. Solche Begriffe sollten in die Grundlage der Erziehung der jungen Generation gelegt werden.

Ich schlage vor, daß Du die Vorstellungen, die noch nicht überlebt sind, nicht zu sehr kritisierst, da Dein Buch sonst unter den existierenden Umständen nicht erscheinen möchte! Warum wurde das Ebenbild einer Schlange als Symbol der Weisheit gewählt? Eine der vielen Erklärungen dieses Sinnbildes ist, daß die Schlange ihren Kopf stets aufrecht hält und sich in gerader Richtung fortbewegt, wobei sie nur ihren Körper den begegneten Hindernissen entsprechend krümmt. Wir sollten also weise sein wie die Schlangen. Während wir unser Ziel verfolgen, wollen wir den besten Pfad wählen.

Um die Worte Christi richtig zu verstehen: „Wahrlich, Ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll im Himmel los sein», sollte man die vorhergehenden Worte im gleichen Kapitel (Matthäus 18, 15) sorgfältig lesen. Der achtzehnte Vers ist tatsächlich sozusagen eine Zusammenfassung, die aus dem obigen Gleichnis hervorgeht, und sie erklärt die Wirkung des Karmagesetzes vollständig. Wahrhaftig, wenn wir unsere Streitigkeiten mit unseren Nächsten nicht hier auf Erden lösen, werden sie auch in der Subtilen Welt nicht beigelegt werden. Denn in der Subtilen Welt ernten wir, was wir hier säen. Aus diesem Grunde sollten wir stets versuchen, das Karma soweit wie möglich unwirksam zu machen, mit anderen Worten, unsere Beziehungen mit anderen abzuschließen, während wir auf Erden sind. Warum sollte das Wort „ihr» im achtzehnten Vers sich nur auf die Apostel beziehen und nicht auf die Menschen im allgemeinen? Gewiß, es ist nicht schwer zu verstehen, warum diese Worte ausgelegt wurden, als wären sie das Recht, das Christus den Aposteln gab, „zu binden und zu lösen» oder, anders gesagt, zu bestrafen und zu vergeben. Übrigens ist das ganze Gleichnis weit von der Art der Widerstandslosigkeit entfernt, die Christus so beharrlich zugeschrieben wird.

Genaugenommen ist sogar der Größte Geist tatsächlich nicht imstande, Sünden, die begangen worden sind, zu vergeben, da es dem Karmagesetz widersprechen würde. Er könnte das Karma bis zu einem gewissen Grade erleichtern, aber das ist alles. Wenn der Mensch der einzige Schöpfer und Registrator von jedem seiner Motive, seiner Gedanken und Taten ist, und sie immer im Gedächtnis behält, wie kann er dann überhaupt irgend etwas in seinem Wesen und daher an seinem Schicksal ändern, ohne seinen direkten Willen? Der Hohe Geist kann nichts tun als uns bei unseren Bemühungen helfen, unser inneres Wesen umzugestalten - genau, Zusammenarbeit ist bei allem notwendig.

Der wahre Sinn der Worte „Deine Sünden sind vergeben» ist, daß der Große Lehrer die Aura des Leidenden fühlen konnte. Er sah, daß die Aura des Leidenden infolge seines Strebens und des Glaubens an Seine Hohe Macht ihre Schwingungen verstärkt hatte und daß Seine heilenden Strahlen jetzt assimiliert werden konnten und auf diese Weise Befreiung von den schlimmen Folgen bringen würden, die sich durch böse Taten oder Gedanken angesammelt hatten. Er hatte daher Grund zu sagen: „Deine Sünden sind vergeben.»

Sünden zu vergeben oder von ihnen zu erlösen, bedeutet, ihre Folgen auszurotten. Bei diesem Ausrottungs und Erlösungsprozeß von einer Missetat kommt sozusagen das Neutralisieren von jenen Strömen, die in der Aura des Menschen erschienen sind infolge der freigesetzten Energien, die er gebrauchte, um das Unrecht zu begehen. Ebenso wie ein einziger chemischer Bestandteil den ganzen Charakter einer Substanz ändern kann, die aus zahlreichen anderen Substanzen zusammengesetzt ist, ist auch die Wirkung eines hohen Impulses oder einer hohen Qualität imstande, die Folgen einer Handlung unwirksam zu machen oder zu überwinden, die durch die unedlen Qualitäten in der menschlichen Natur entstehen, und auf diese Weise den ganzen Charakter des Menschen zu ändern und seine Natur umzuwandeln.

Hieraus sollte es klar sein, daß niemand die Sünden eines anderen vergeben oder von ihnen erlösen kann, daß er ihm aber bestimmt helfen kann, zu einer bestimmten Zeit dem höheren Ego sein Herz zu öffnen und dadurch latente göttliche Kräfte in sich zu erwecken. Diese göttlichen Kräfte werden ihrerseits für die Aura desjenigen von Voneil sein, der geholfen hat, und er wird ein Teilnehmer an den guten Folgen sein, die durch sein hilfreiches Erwecken der göttlichen Kräfte in einem anderen verursacht wurden. Zusammenarbeit immer, überall und in allem.

Christus, der Erlöser, wohnt zweifellos in jedem von uns. Du weißt bereits, daß das Wort „Christos» oder Christ sowohl für die ersten Christen als auch für die gesamte alte Welt synonym mit unserem höheren Ego war. In diesem Sinne sollte man also verstehen, daß Christus der Erlöser von Sünden ist. Die Erlösung von persönlichen Sünden wird also von der Seele vollbracht - dem Leiter und Boten von Christus -, ununterbrochen während der langen Kette der irdischen Leben unseres individuellen Egos. „Der gekreuzigte Christus ist in jedem Menschenwesen vertreten, das nach Erreichung eines gewissen Grades der Evolution in die Hölle hinabsteigen muß, um die Seele, die durch die gesetzwidrigen Taten ihres niederen Egos in sie hineingefallen ist, wieder zu dem höheren und normalen Zustand zurückzubringen. Mit anderen Worten, die Göttliche Liebe muß das Herz eines Menschen erreichen und es bezwingen und erneuern, ehe er die Ungeheuerlichkeit seiner Sünden gegen das Göttliche Gesetz erkennen kann. Dies kann nur durch eine vollständige Verschmelzung und Vereinigung mit dem höheren Ego oder mit dem Göttlichen Gesetz der Liebe geschehen.»

Dieselbe Bedeutung ist in den Worten Christi an die Sünderin Maria Magdalena enthalten, die Myrrhe auf Seine Füße goß. Die Macht des Glaubens, die Macht der Liebe ist das Feuer, das all unsere Gefühle umwandelt. Die letzteren sind Energien, die in Qualitäten von Gedanken und Taten umgewandelt werden.

Nur die Umwandlung von Energien, d. h. von Gefühlen oder Qualitäten der Gedanken, kann uns daher aus dem Zauberkreis des Karmas herausbringen. Darum sollten wir unsere Schwingungen durch hohe Gefühle emporheben. Es ist äußerst wichtig, in Kindern das Trachten nach allem Schönen und Liebe für das Schöne zu kultivieren.

Bei dieser Erhöhung der Schwingungen ist die Hilfe des Lehrers äußerst bedeutungsvoll, da Er einen Jünger, der seinen Empfangsapparat auf den Rhythmus der Schwingungen des Lehrers abgestimmt hat, durch seine bloße Berührung verklären kann. Genau, die Ausstrahlungen eines reinen irdischen Lehrers erhöhen die Schwingungen in seiner ganzen Umgebung, zuweilen über ein ungeheures Gebiet. Dadurch wird nicht nur der Weltraum gereinigt, sondern zuweilen werden sogar die Feuer von Individuen in seiner Umgebung entzündet. Aus diesem Grunde wurde es in alten Zeiten für ein großes Vorrecht angesehen, in der Nähe des Lehrers zu leben und Ihm zu dienen, da dies die Möglichkeit des Kontaktes mit seiner Aura verschaffte. Der Osten kannte damals die heiligen Gesetze und ehrte sie inbrünstig, und im heutigen Indien wird es für einen

Segen gehalten, wenn ein heiliger Mann beschließt, in der Nachbarschaft zu leben. Was Deine Furcht anbetrifft, daß niemand Behauptungen Glauben schenken wird, die nicht durch Bezugnahme auf einige wohlbekannte Autoritäten bestätigt werden, möchte ich sagen, daß ich persönlich es vorziehen würde, entweder intelligente und klare Behauptungen von der Autorität selbst oder Anführungen aus ganz neuer Quelle zu hören, da der eigentliche Rang dieser Autoritäten oft dem neuen, vorwärtsblickenden - mit anderen Worten: evolutionären Denken widerspricht.

Kennst Du übrigens die Werke von Edward Carpenter? Er schrieb einige schöne Seiten über kosmische Liebe und auch über die Ausbildung der jungen Generation. Er war ein reiner Schriftsteller.

Bestätige also durch alle möglichen historischen Beispiele und Geschichten aus dem Leben die Notwendigkeit, die Verantwortung zu erkennen, die Pflicht zur Erziehung der neuen Generation zu erfüllen. Auch in der Bhagavad-Gita kannst Du schöne Abschnitte für ein Kapitel finden, das der Erziehung der Jugend geweiht ist.

Es gibt nichts Höheres als schöpferische Tätigkeit, und es gibt keine größere Freude. Darum - erschaffe und freue Dich! Ich sende Dir meine besten Gedanken und viel Mut. Sei kühn im schöpferischen Flug. Trotz meiner eigenen zahlreichen Warnungen Dir gegenüber fühle ich mich zuweilen geneigt zu flüstern:

„Schaffe mutig!» Laß die Gedanken unentstellt und unbegrenzt im Weltraum und in den Archiven Deines Wesens sich einprägen. Laß sie frei sein vom Schatten des Skalpells des Zensors. Sicherlich, es ist nie zu spät, um zu verkürzen und zu verstümmeln und der Stufe der Masse anzugleichen. Aber wenn Du allein oder mit jenen zusammen bist, die Dich geistig verstehen, sei schöpferisch und sprich offenherzig.

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