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Helena Roerich
Briefe von Helena Roerich. 1929-1938

VORWORT

Die Originalausgabe dieses Buches wurde im Jahre 1939 durch die Lettische Roerich Gesellschaft in Riga auf russisch veröffentlicht.

Der Verlag spricht Mme. V.L.Dutko seine dankbare Anerkennung für ihre scharfsinnige und feinfühlige Arbeit in der Ausführung der ersten englischen Übersetzung aus. Ohne ihre Hingabe an diese Aufgabe wäre diese Veröffentlichung nicht möglich gewesen.

Die Agni Yoga Gesellschaft hat die Ehre, die Briefe von Helena Roerich als einen wesentlichen Bestandteil der Lehre der Lebendigen Ethik zu überreichen.

EINFÜHRUNG

«Wenn die Bilder großer historischer Figuren uns aus dem fernen Altertuni erreichen, werden sie aus irgendeinem Grunde leichter im Bewußtsein aufgenommen. Selbst wenn sie in Mythen und Legenden verhüllt sind, sind sie sehr überzeugend. Mit Ablauf der Zeit erscheint alles möglich. Schriftsteller und Künstler aller Zeitalter widmen diesen fernen Bildern ihre besten Inspirationen. Ganze Generationen werden durch diese Helden und Heldinnen inspiriert. Niemand beneidet sie, und niemand erwägt, unter welch schweren Opfern die Errungenschaften vollbracht wurden. Was bewahrt wurde, ist nur der Bericht glorreichen menschlichen Aufstiegs.

Mit Bildern aus der jüngsten Vergangenheit verhält es sich nicht ganz so, geschweige denn mit denen aus der heutigen Zeit. Nehmen wir zum Beispiel die biographischen Skizzen über die großen Menschen der letzten Jahre. So viel Unwesentliches, Uncharakteristisches ist in bezug auf sie erwähnt worden! Dies beweist nur, daß die endgültige Essenz ihres Lebens noch nicht erwogen und gewürdigt worden ist. Die zweifelhaftesten, am wenigsten bewiesenen Einzelheiten werden unfehlbar einbezogen; daher pflegen die Schlußfolgerungen, wenn sie nicht völlig negativ sind, herabsetzend zu sein.

Natürlich wird die Waage im Laufe der Jahrhunderte ausgeglichen werden. Die Gerechtigkeit der Menschen wird vieles beseitigen, was die Augen der Zeitgenossen verdunkelte. Das Urteil der Zeitalter braucht nicht notwendigerweise herabzuwürdigen. Selbst in der kurzen Spanne von hundert Jahren sehen wir, daß sehr vieles sein eigenes Gleichgewicht erlangt hat. Die weitschweifigen Seiten, auf denen die großen Seelen herabgesetzt wurden, sind noch nicht zerfallen. Unsere Großväter waren Zeugen der grausamen und ungerechten Haltung der Menschen gewissen Offenbarungen gegenüber, die in weniger als einem Jahrhundert zum Stolz ihres Landes und sogar der ganzen Welt werden sollten. Und wir selbst sind heute Zeugen des gleichen.

Bewundernswerte Bilder von Männern und Frauen, die die wahren Schöpfer der Kultur sind, gehen an uns vorbei. Und es würde wünschenswert scheinen, sie sofort zu erkennen, anstatt es unnötigerweise aufzuschiebend Warum sollte man sie in den Archiven verbergen und außer Sicht lassen, bis sie zu einer Phantasie in der Vorstellung des Volkes werden?

Hier begegnen wir einer bemerkenswerten zeitgenössischen Figur, einer hervorragenden russischen Frau. Selbst in ihrer Kindheit offenbarte sie ungewöhnliche Eigenschaften und wird als kleines Mädchen gesehen, das heimlich einen schweren Band von Dores Bibel fortträgt. Gebeugt unter seinem drückenden Gewicht, verbirgt sie ihn vor den Erwachsenen; sie hat den Schatz genommen, um die Illustrationen und schließlich (nachdem sie sich selbst lesen gelehrt hat) die Testamente zu studieren.

Aus dem Bücherschrank ihres Vaters entnahm sie auch in ungewöhnlich frühem Alter Bände über Philosophie. Inmitten der lauten und anscheinend ablenkenden Umgebung war sie fähig, eine tiefe Betrachtung des Lebens zu entWikkeln, als ob sie sie seit langem besessen hätte. Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, ein beständiges Forschen nach Wahrheit und Liebe für schöpferische Arbeit - all dies wandelte tatsächlich das ganze Leben um, das den jungen starken Geist umgab. Und das ganze Haus, die ganze Familie wurde von denselben wohlwollenden Prinzipien gelenkt. Alle Schwierigkeiten und Gefahren wurden unter derselben stoischen Führerschaft ertragen. Das angesammelte Wissen und das Streben nach Vollkommenheit brachte eine siegreiche Lösung von Problemen, und dies führte die Menschen der Umgebung dem leuchtenden Pfad entgegen. Unwissenheit, Dunkelheit, Bosheit wurden stets heftig empfunden. Überall wo es möglich war, wurde sowohl physisches als auch geistiges Heilen ausgeführt. Das Leben wurde mit wahrer Arbeit erfüllt. Von früh bis spät wurde alles zum Besten der Menschheit getan. Eine weitreichende Korrespondenz wurde unterhalten, Bücher geschrieben, vielbändige Werke übersetzt, und dies alles geschah in einem erstaunlich unermüdlichen Geist. Selbst die schwierigsten Umstände wurden durch wahren Glauben überwunden, der zu wirklichem direktem Wissen führte. Zweifellos sind für solch ein Wissen wunderbare Ansammlungen erforderlich! Alle jungen Menschen sollten mit diesem unermüdlichen Leben bekannt gemacht werden als einem lebendigen Beispiel von ernsten Errungenschaften, von Wohlwollen und schöpferischer Tätigkeit. Wenn die Schwierigkeiten dieser erleuchteten Arbeit bekannt sind, wird es besonders hilfreich für die Erkenntnis sein, daß unaufhörliche Fortschritte gemacht werden können. Oft glaubt man, daß alles hoffnungslos ist, so groß sind die Täuschungen, die aus menschlicher Verzweiflung entstehen. Darum sind wirkliche, lebendige Beispiele tatsächlich äußerst wichtig, und wir können uns über die Ermutigung, die allen Anfängern ein solches Beispiel in konstruktiver Arbeit gibt, freuen!»*



So spricht der authentischste Zeuge! Wir, die Freunde und Bewunderer der Werke von Elena Ivanovna**, können aus den umfassenden und weisen Betrachtungen in ihren Briefen feurige Blitze erhalten, denn ist nicht ihr ganzes Leben mit Feuer erfüllt? Die Frauenbewegung, kosmologische Forschungen, die Lebendige Ethik - dies alles ist in ihren Briefen an Freunde zu finden. Elena Ivanovna war gegen eine Veröffentlichung ihrer Briefe, aber wir, ihre zahlreichen Freunde, haben Abschriften von dem ausgetauscht, was für uns ihre kostbarsten Hinweise waren. Schließlich kamen wir zu der Überzeugung, daß es angesichts des Verlangens nach diesen Briefen von einer zunehmenden Zahl von Freunden und Mitarbeitern notwendig war, sie in Buchform zu veröffentlichen. Wir wandten uns an E.I. selbst und erhielten endlich die Erlaubnis. Natürlich besteht der erste Band nur aus einer verhältnismäßig geringen Zahl von Briefen oder vielmehr Bruchstücken aus Briefen, die in den meisten Fällen nur die Antworten auf verschiedene Fragen der Mitarbeiter sind. Die Namen der Mitarbeiter und selbst ihr Wohnort sind nicht erwähnt worden, da nur der behandelte Gegenstand von Wichtigkeit ist. Was die Briefschreiber anbelangt, so wissen sie selbst, wen die Briefe betreffen und bei welchen Gelegenheiten sie geschrieben wurden.



Durch die allmähliche Veröffentlichung dieser Briefe wird die Weite der Gedanken dieser bemerkenswerten russischen Frau sich offenbaren. In Rußland wie auch im Ausland während ihrer Weltreisen widmete sie sich stets dem Dienst für ihr eigenes Land und für die Menschheit.

Die Russen haben eine ganze Reihe bemerkenswerter Frauen auf verschiedenen Lebensgebieten beigetragen. Man kann an die Namen solcher Heldinnen denken wie Kovalevsky, Blavatsky, Dashkova, Volkonsky, Morozova und viele andere. Von alters her bis auf den heutigen Tag haben sie der Menschheit mit ihren ungewöhnlichen Talenten und ihrem Wissen gedient. Die Tätigkeiten von Frauen sind erst seit kurzem anerkannt worden, und doch können wir bereits den Einfluß der Frau auf allen Gebieten erkennen: in der Kunst, Literatur, Philosophie, Erziehung, Industrie, Luftschiffahrt - kurz, überall dort, wo die Neue Welt aufgebaut wird. Elena Ivanovna hat stets gehofft, ein würdiges Buch zu veröffentlichen, ein bibliographisches Werk, das der Frau gewidmet sein würde. Überdies hat sie nie eine Entfremdung von der Welt im Auge gehabt; im Gegenteil, sie denkt stets im Sinne von weitreichender, engster Zusammenarbeit, die die traditionellen Begrenzungen der Unwissenheit für immer beseitigen würde.

Angesichts der besonderen Ehre, diese Gedanken einer wunderbaren Frau, einer Denkerin, zu überreichen, haben die Herausgeber die große Freude, allen Suchern nach Wahrheit und Kultur die Möglichkeit zu geben, mit den tiefgründigen, scharfsinnigen Briefen von Elena Ivanovna Roerich bekannt zu werden.

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